Gibt es Geburtsfehler im Kapitalismus?

Der Kapitalismus hat sich als die aktuell stärkste Wirtschaftsform erwiesen, wenn es um die bestmögliche Allokation und Produktion von Wirtschaftsgütern geht. Planwirtschaft, Diktatur der Arbeitsklasse, Räte bzw. Sowjets sind in ihren bisherigen Formen viel anfälliger für Mißbrauch, Mangelwirtschaft und soziale wie politische Ungerechtigkeit gewesen. Scheinbar ist es für gewachsene Demokratien ein Vorteil, wenn diese über eine kapitalistische Wirschaftsform verfügen oder diese in Hinblick auf soziale Gesichtspunkte regulieren (rheinischer Kapitalismus, soziale Marktwirtschaft, etc.). Insbesondere innovative Industrien zeigen einen systemischen Zusammenhang zu freien Gesellschaften. Auf der anderen Seite ist der bisherige Erfolg Chinas die ultimative Nagelprobe, denn wenn dort ähnliche Fortschritte wie in der Industrialisierung des Landes auch in der Innovationskultur erreicht werden, dann könnten freie Gesellschaften als Erfolgsmodell unter Druck geraten. Dem Kapitalismus als Wirtschaftsform scheint somit die genaue Staatsform und seine Bürgerrechte schlicht egal zu sein, er funktioniert hier wie dort, wenn eine gewisse staatliche Rechtsordnung und die Möglichkeit besteht, Anreize für Kapitalmehrung zu schaffen, Ressourcen zu verbrauchen und zu produzieren, ohne daß sich ein Dritter, wie der Staat, allzu dreist an den Profiten ausnimmt und die Ordnung belastet.

Allerdings ist die Frage unserer Zeit, ob der Kapitalismus ohne Geburtsfehler auf die Welt gekommen ist oder wir noch nicht in der Lage sind zu erkennen, wo die natürliche Regulierung des Systemes liegt. Die Frage droht zur Glaubensfrage zu werden, denn eine definitive Antwort kann niemand geben. Aber es gibt zumindest Anzeichen, daß manche Konstruktionen einem nachhaltigen Wirtschaften im Wege stehen. Sie sind nicht unbedingt Natur des Kapitalismus, wir haben Sie dazu gemacht. So ist die Erfindung von juristischen Personen mit beschränkter Haftung ein Ergebnis der Einführung der Menschenrechte für Sklaven gewesen. Anwälte behaupten damals, daß wenn man schon Schwarzen vor dem Gesetz gleiche Rechte zubilligt, daß dies auch bei juristischen Personen, also bspw. Unternehmen, der Fall sein müßte. Der Fehler aber ist, daß man hier einer juristischen Person nicht vollständige, sondern beschränkte Haftung ermöglicht. Was wirtschaftlich sinnvoll erscheint, um Risiko für Unternehmer zu reduzieren und somit Anreize schafft, bedeutet aber ebenso eine Gefahr für nachhaltiges Wirtschaften bspw. im Sinne der Ökologie.

Weitere Störungen und Anpassungsprozesse erkennt man in der aktuellen Finanzmarktkrise (Störungen in der Regulierung Staat-Privatwirtschaft, natürliche Zerstörung, etc.), aber auch in allerlei Randerscheinungen, wie bspw. die ungleiche Verteilung von Gütern in der Welt, die ressourcenschädigende Produktion und Konsumption von Gütern zu Lasten der Umwelt, die Durchführung von Kriegen um Ressourcen, etc.

Es ist offensichtlich, daß der Kapitalismus kritisiert werden muß, um ihn zu verbessern und nicht, um in überholte Wirtschaftsformen wie Planwirtschaft oder gar Merktantilismus zurückzufallen. Es muß einen ökologisch, nachhaltigen Kapitalismus geben, wenn wir als Menschen überleben wollen. Das ist möglich, denn der Kapitalismus ist ein von Menschen geschaffenes Wirtschaftsmodell. Es kann geändert werden, wenn es die Politik und öffentlicher Konsens dies so will. Noch ist der Staat in wesentlichen Bereichen stärker als der private Sektor, er kann noch eigene Gesetze verabschieden. Aber in einigen Bereichen ist die Wirtschaft schneller globalisiert und damit mächtiger geworden als die Staaten (bspw. Finanzmarkt). Es ist deutlich geworden, wie wichtig eine sinnvolle Regulierung aufzustellen und zu exekutieren (teils gibt es ja bereits sinnvolle Regeln, die nur einfach nicht durchgesetzt worden sind). Die große Problematik liegt darin, daß solche Änderungen regional nur begrenzt erfolgreich sein können. Eine internationale Beschlussfassung krankt aber daran, daß die Globalisierung der Öffentlichkeit und Politik teilweise noch nicth soweit fortgeschritten ist, wie es die Anreizsysteme der Privatwirtschaft gesschafft haben.

Wenn wir schon in die Mottenkiste greifen, dann aber richtig: Marx sah vor allem eine Wirtschaftssystematik, die die Eigentümer von Kapital gegenüber den Arbeitskräften, die kein oder wenig Kapital besitzten, benachteiligt. Diese Beobachtungen lassen sich heute noch ergänzen. Die nächten Punkte, ich nenne sie Hürden, weil ich sie als Entwicklungsstufen begreife, ist eine erste Skizze für eine längere Arbeit, deren Analyse zu Lösungsansätzen führen kann für eine Wirtschaftsordnung, die dem Allgemeinwohl nützlicher ist, als es der aktuelle Kapitalismus tun kann und insgesamt dem Allgemeinwohl der Menschheit verpflichtet sein muß:

Hürde 1.) Unnachhaltige Ressourcenverwendung (“Wasser kostet nichts”)

Sämtliche Wirtschaftsprozesse laufen auf eine möglichst effiziente Verarbeitung von Ressourcen hinaus. So die Theorie. Problematisch ist allerdings, daß einige knappe und endliche Güter preislich nicht bewertet sind und erst kurz vor dem Aufbrauchen derselben der Preis merklich zu steigen beginnt. Dies ist besonders gefährlich, da einige für die Lebensgrundlage der Menschheit notwendige Güter hemmungslos verbraucht werden, so daß eine nachhaltige Nutzung unmöglich zu sein scheint. Dies betrifft Öl genauso wie Wasser, Land oder Luft. Auch Eingriffe in bestehende Ökosysteme wie Wald oder Meere sind so substantiell, daß die Lebensgrundlagen menschlichen Lebens eventuell schon nachhaltig gestört sein können (bspw. unerklärliche Reduktion von Bienenstämmen, dies führt in der Planzenwelt, auch bei Nutzplanzen, zu signifikanten Störungen in der Fortpflanzung. Ebenso unerklärlich ist hierbei, daß ohne Zuhilfenahme von Bienen gezüchtete Lebensmittel Menschen weder schmecken noch ähnliche Nährwerte aufweisen. Dies ist eins von nur vielen Beispielen, die beunruhigend sind).

Hürde 2.) Verteilung von Profit (“Reicher werden reicher, Arme ärmer”)

Immer dort, wo der Kapitalismus ungehemmt und frei auftritt, so führt dies zu einer starken Umverteilung von Vermögen und Kapital. Ob in den USA, Russland oder China, eine kleine Minderheit häuft unheimliche Vermögen an, eine große Zahl von armen Menschen entsteht und der Mittelbau (Mittelschicht) dünnt sich aus. Dies scheint nahezu unvermeidlich zu sein, selbst in der sozialen Marktwirtschaft führten Eingriffe in die Leistungsbezogene Steuerprogression zu Umverteilungen, die die Mittelschicht stark beschädigt haben.

Hürde 3.) Gerechtigkeit (“Gott würfelt nicht”)

Die Theorie komparativer Wettbewerbsvorteile von Adam Smith scheint nachhaltig bedroht. Überall dort, wo wenig entwickelte Staatsformen hoch entwickelten Staatsformen gegenüberstehen (bspw. afrikanische Stammespolitik oder Diktaturen vs. westeuropäische Zivildemokratien), so sind diese wirtschaftlich stets unterlegen. Zudem verfügen einige Staaten der Erde über natürlich gegebene Schwierigkeiten, wenn sie sich entwickeln wollen. So sind die Saharahstaaten nicht in der Lage, genügend Trinkwasser und Lebensmittel zu erzeugen, die für das eigene Wachstum bzw. Entwicklung notwendig sind. Sie verfügen über keine fossilen Rohstoffe, können also kaum in Handel treten mit den entwickelten Ländern des Nordens. Ihre große Chance liegt im unheimlich starken Sonneneinfall als natürliche Energieproduktion der Zukunft, sollten die Probleme mit der verlustreichen Tranportation von STrom gelöst werden oder energiereiche Industrien in diese Regionen ziehen wollen (hier wieder: rechtliche oder zivilisatorische Grundlagen in Afrika kritisch)

Hürde 4.) Einseitige Bewertung von Wachstum vs. Rezession (“Mehr ist immer besser”)

Dies erklärt sich fast von selbst: Wachtstum ist immer gut, aber wenn die Wirtschaft schrumpft ist dies per se negativ. Das Gegenteil müßte richtig sein: Nur wenn die Wirtschaft dort schrumpft, wo sie übermässig stark und nicht nachhaltig war, dann kann die Erde auf Dauer für eine Vielzahl von Menschen gleichmässig starke Lebensgrundlagen bilden. Eins ist ebenso sicher: Die Menschheit kann nur weiter und weiter wachsen, wenn Sie ihre Lebensgrundlagen erweitert. Dies wird auf Dauer entweder nicht der Planet Erde sein, oder aber die Kolonisation anderer Planeten. Dazu scheint die Menschheit aber noch überhaupt nicht in der Lage, die Probleme der nächsten Jahrhundert müssen auf der Erde gelöst werden und damit auch das Problem der Überbevölkerung. Dies hat aber auch ihr Gutes, wie nach einem Waldbrand verwandelt sich die zerstörte Biolandschaft oft in fruchtbares Land, in dem neue Arten entstehen. Hier sind die natürlichen Ökosysteme dem System Mensch scheinbar auch überlegen, der Mensch befindet sich eventuell in einer ähnlich schwierigen Situation wie die Dinosaurier, deren Existenz auf Erden evntuell ähnlich unnachhaltig war (bleibt spekulativ, so lange alles auf Kometen geschoben wird).

Hürde 5.) Privateigentum vs. Allgemeingut (“Ich bin wichtiger als die Anderen”)

Auch hier scheinen wir noch viel lernen zu müssen: Wann macht es Sinn, wenn wir bspw. die Versorgung mit Trinkwasser in private Hände geben, wann sollte besser die Öffentlichkeit in Form des Staates diese Aufgabe erledigen? Solange Menchen immer wieder bestrebt sind, zu horten und Güter anzuhäufen, so ist diese Form des Wirtschaftens im großen Maßstab für die Menschheit nicht nachhaltig und somit die Lebensform für eine Minderheit, die es sich auf Kosten anderer scheinbar gut gehen läßt. Die Trennlinie zwischen staatlichem und privaten Handeln ist nie sauber und führt immer wieder zu Problemen – selten können Unternehmen alle Aufgaben wie bspw. die Trinkwasserversorgung, gerecht und sinnvoll durchführen, genauso aber sind Staatsunternehmen immer wieder ineffizient und scheitern daran, Ihre Führungskräfte mit einer gesunden Motivation auszustatten. Denn selten lassen sich im Staatsdienst die eigenen Früchte so gut mehren, als wenn man privatwirtschaftlich arbeitet. Ist es aber ein Skandal, wie immer wieder halböffentliche Unternehmen in monopolmarktstellung Ihre systemischen Vorteile zur Selbstbereicherung nutzen (bspw. Kassenärztliche Vereinigung). Immer wieder geben Menschen die Parolen von Bescheidenheit und Demut auf, wenn sie Ihre Vorteile einseitig gegen Schwächere durchsetzen können. Gibt es eine Balance der Kräfte, so geschieht dies seltener.

Hürde 6.) Militärischer Forschritt als Motor (“nur wer die besten Waffen baut, überlebt”)

Der Fortschritt der Industrieländer scheint auf unmittelbare Art und Weise auch damit verknüpft, daß sie die überlegensten Waffensysteme herzustellen wissen (bspw. USA). Eine Unmenge großer Innovationen wie bspw. das Internet oder die Datenverarbeitung überhaupt, lag nicht in ziviler Forschung begründet, sondern zu großen Teilen im militärischen Appart. Das CERN in Genf rühmt sich immer der Erfindung des Internet, defakto war es aber die Errichtung eines Standards, der dort begründet wurde, nicht aber der verteilten Informationsübermittlung. Entwicklungsländer sind abhängig von der Waffenlieferungen der Industrieländer, wenn sie sich gegen ihre Nachbarn behaupten wollen. Das Militär scheint, frei nach Göthe “Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft”.

Hürde 7.) Juristische Personen mit beschränkter Haftung

Diese Konstruktion befördert und stimuliert starkes Wirschaftswachstum, denn nur Personen mit bechränkter Haftung nehmen Risiken auf sich, die diese als Personen mit voller Haftung nicht auf sich genommen hätten. Ist ein Chemiewerk bspw. als juristische Person (AG, GmbH, etc.) mit beschränkter Haftung in unserer Stadt, so sind die Folgen eines Chemieunfalls aus Sicht der AG beschränkt. Sie haftet im Rahmen Ihrer beschränkten Haftung, eine zivil- und strafrechtliche Verfolgung trifft zwar auch handelnde Personen, aber selten die juristische Person selbst. Wenn diese auch ausscheidet, so ist ihr Verlust wenig schmerzlich, denn die Einlage besteht meist in keinem Zusammenhang zu dem Schaden, den sie angerichtet hat. Würde das Chemiewerk von einer Privatperson errichtet, so hat diese vermutlich ein höheres Interesse an der Vermeidung eines Unfalls, denn die Person selbst wäre haftbar. Fraglich ist hier, ob es eine generelle Regelung geben kann, denn für die Gesellschft insgesamt könnte die Anzahl von Personen, die haften wollen, zu gering sein, um wiederum die Versorgung mit Pharmazeutika, die aus dem Chemiewerk kommen, ausreichend zu gewährleisten.

Hoffnung am Ende des Tunnels

Diese Hoffnung für die Bewältigung besteht in unserer Zeit aber in großen Forschritten der menschlichen Zivilisation: Abrüstung nuklearer Bedrohung, Kommunikationstechnologien machen die Welt transparenter und verständlicher, die Anlage der Menschen für Empathie und Mitleid und vieles mehr. Dennoch bleibt unheimlich viel zu tun. Die Mehrzahl der Staaten hat noch keine entwickelte Zivilgesellschaft, Diktaturen sind nicht aufgelöst und ebenso sind Grundlagen wie universelle Menschenrechte in der Welt immer noch nicht als universell von allen, tja leider quantitativ nicht mal der Mehrheit der regierten Menschheit akzeptiert worden und benötigen vermutlich einer Neuformulierung. Ziel muß sein, eine universelle Lösung anzustreben, denn nicht nur das Internet zeigt uns immer besser: Die Welt ist klein und wir alle sitzen im gleichen Boot – dem Planet Erde. Dies ist eines der großen Verdienste der Raumfahrt, sie hat uns allen gezeigt, wie endlich und klein unser eigener Planet ist und wie wichtig es ist, sich auf diesem Planeten zu verständigen. Das wird sicher ein paar Jahre dauern – es hat tausende von Jahren gedauert, eine Institution wie die UN zu gründen. Es könnte noch ein paar Jahrzehnte dauern, bis diese überhaupt handlungsfähig wird, es ist aber offensichtlich, daß dies passieren muß.

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