Die psychologische Realität von Keynes

Es ist immer noch Usus für das linke Spektrum, dem Staat die lenkende und heilende Hand in Wirtschaftskrisen zuzusprechen. Durch antizyklische Investionen soll er die Neigung zum Konsum erhöhen und die wirtschaftliche Stimmung aufhellen. Sie berufen sich viele Jahre nach seinem Tod auf John Maynard Keynes und vefälschen ihn, ja, vergewaltigen ihn. Keynes legte bewußt Wert darauf, daß die Konsumneigung nicht allein durch Staatsinvestionen, sondern ebenso durch Bewegungen des Zinses und durch steuerliche Impulse befördert werden sollte. Es ging ihm auch vor alle darum, die Einstellung der Konsumenten und Investitionsentscheider zu verbessern, um die unentschiedene Masse zu bewegen. Ein psychologisches Spiel beinah.

Solche Impulse sind in der aktuellen, eher prekären Stimmungslage ohne Nutzen, alleine drei Tatsachen reichen als Begründung:

1.) Staat taugt nicht als psychologisches Vorbild

Jeder Bürger weiß, der Staat lebt über seine Verhältnisse, er ist hoch verschuldet mit mehr als 66% des Bruttoinlandproduktes. Steigt der Staat massiv in die Neuverschuldung ein, so ist dies das Bild eines untergehenden Schiffes, dass massiv in eine vergoldete Beplanckung investiert und so noch schneller sinkt. Dabei haben viele Bürger eine weitaus bessere Nase dafür, ab wann Sie überschuldet sind. Für Unternehmen gilt dies genauso, auch sie sehen den Zusammenhang Ihrer Wirtschaftsleistung zu ihrer Verschuldung. So wird also niemand positiv dadurch ermuntert, wenn der Staat sich weiter in die Misere bringt, er ist eher erschrocken, wie dieser sich weiter seiner Freiheit zu Handeln beraubt.

2.) Der Staat wird als Teilnehmer des Wirtschaftskreislaufes überschätzt.

Um den Vergleich einmal anzustellen: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands bewegt sich aktuell bei rund 2,4 Billionen Euro. Gehen wir also von einem Schrumpfen des BIP um 5% aus, so gehen 120 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung verloren. Die Schattenwirtschaft ist da noch nicht einmal eingerechnet. Der Haushalt des Staats bewegt sich bei 290 Milliarden Euro im Jahre 2008, aus ihm heraus lassen sich keine Impulse finanzieren, fast 20% werden zudem für Zinsen und Tilgung von Schulden aufgewendet. Wenn der Staat agiert, dann nur aus neuer Verschuldung heraus. Hier offenbart sich das Dilemma vollends, die Staatsschulden belaufen sich in Deutschland auf 1,6 Billionen Euro, fast 66% des BIP, nicht des Staatshaushaltes. Wenn hier also weiter verschuldet werden muss, so läuft dies nach und nach auf Währungsentwertung hinaus. Der Staat hat “gute Zeiten” nie dafür genutzt, seine Schulden zu deckeln. Wie ein Junkie hat er immer wieder nachgenommen, wenn es politisch opportun war. Der Staat ist ein mächtiger Teilnehmer im Wirtschaftskreislauf, aber einer der nur beschränkt Impulse geben kann.

3.) Der Einfluss der Medien auf die Stimmung ist stärker als die des Staates

Noch bedeutsamer für Volkes Meinung: die Medien. Diese verdienen nicht an der Krise, aber es ist ein Automatismus der Sensationslust am Werke – die Lust am Untergang. Die Medien filtern gute Impulse zudem auch noch heraus, wenn sie der allgemeinen Stimmungslage, die sie selber kreiert, widersprechen. Es erscheint unglaubwürdig, wenn einzelne Unternehmen Rekordumsätze vermelden. Einige Technologieunternehmen oder aber klassische Handwerskbetriebe schieben große Auftragsbücher vor sich her. Diese Nachrichten werden bewußt weggefiltert (siehe auch Kommentar SZ letzten Samstag). Das wirklich Prekäre ist der unumstössliche Glaube, daß die Finanzkrise voll auf die Nationalökonomien durchschlägt. Nur tut sie das in jedem Land auf ganz unterschiedliche Weise. Das tausende Amerikaner ihre Häuser nicht bezahlen könne, daß bringt auch hierzulande Banken in Probleme, die Kettenreaktion aber ist eher wie der “Peitscheneffekt”, ein sich selbst aufschaukelndes System der Angst und der Risikovermeidung. Keynes dachte oft an Inselökonomien, die Vernetzung schlechter Stimmung, wie wir sie heute erleben, wirkt wie ein undurchdringlicher Maschendraht. Es wäre auch in seinem Sinne, daß heute ein gemeinsames politisches Signal aller Staaten davon ausgeht, mit dem alten, falsch regulierten Finanzwesen aufzuräumen und somit ein psychologisches Symbol für den Neuanfang setzt. Dies muss einher gehen mit Transparenz in die Wirtschaftsabläufe. So werden auch die ersten Mutigen wieder investieren. Es scheint mir, daß viele Investitionsentscheidungen von einem Impuls beeinflusst sind, nämlich kollektives Erschrecken beim Platzen von Spekulationsblasen, auch wenn man nicht direkt betroffen ist. Das Angstsensor scheint zu melden: Hier droht Gefahr, seie vorsichtig, ziehe dich zurück. Auch davon sprach Keynes, nur wußte er, wie schlecht sich diese Vermutung mathematisch quantifzieren liesse und dem zahlengläubigen Wirtschaftssubjekt, das nur in der Bilanz emotional wird, kann man nicht mit Psychologie kommen und irrationalem Verhalten.

Das Handelsblatt hat ein paar Zitate aus seinem Hauptwerk, der “Theorie des Zinses und des Geldes” bebildert.

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