Die Dogmatiker des Essens

Die Wegbereiter totalitärer Ideen sind Dogmen.

Sie sind unangreifbar.

Vom Himmel empfangen, wer will dem widersprechen?

Klischees sind die Vorläufer von Vorurteilen.

Und Vorurteile leiten den einfachen Geist.

Was ekelt mich das an!

Ich kann gar nicht sagen, wie mich diese Haltung abstößt. Besonders wenn es um die gesundheitlichen Wirkungen der Ernährung geht. Man muß als Mensch sich immer Skepsis und Neugier bewahren. Wo Nichtwissen ist, dort muss man forschen. Nicht vermuten, nicht unterstellen, nicht den Gefühlen gehorchen. Am Anfang einer wissenschaftlichen Untersuchung steht vielleicht Intuition, das hat aber nichts mit dem Verfahren und seinen Ergebnissen zu tun. Besonders bei der gesundheitlichen Betrachtung der Ernährung drängen sich immer Heilslehren und Dogmas auf. Aber ob Vegetarismus, biodynamische Lebensmittelerzeugung oder Diätlehren, immer wird dort mit Gewissheiten und absoluten Urteilen gearbeitet. Natürlich will auch ich, dass wir im Umgang mit Tieren eine Ethik walten lassen, die nicht in Richtung von Gegenständen geht, wenn vielleicht auch nicht die gleichen Maßstäbe anzusetzen sind wie im Umgang mit Menschen. Ein ethisches Motiv für den Vegetarier ist etwas völlig nachvollziehbares, das hat auch wenig mit der gesundheitlichen Wirkung zu tun. Typisch für Fehlurteile sind aber lange wiederholte Heilslehren, denen das empirische Fundament fehlt. Ein klassisches Beispiel ist die Regel “5 Mal am Tag Obst und Gemüse”. Diese Empfehlung wird von Institutionen wie der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und vielen Broschüren im Gesundheitswesen oder Ernährungsbüchern immer wieder nachgebetet. Was aber steht dahinter? Nichts mehr als eine Vermutung, eine sogenannte Beobachtungsstudie. Die Qualität der erhobenen Daten war mehr als zweifelhaft, dennoch wiederholte man gebetsmühlenhaft diese Vermutung. Heute weiß man, dass Langzeitstudien keine Evidenz darüber bringen, ob Menschen weniger an Krebs erkranken als diejenigen, die wenig Obst und Gemüse verzehren. BrandEins hat zu diesem Thema einen schönen Artikel verfasst (Link)

Mir bleibt selbst sowas wie eine Obsession gegen die zu wettern, die alles meinen zu wissen. Die ohne Selbstkritik predigen, was das Zeug hält. Oft sind zwar Dogmas auf einer gewissen Logik aufgebaut, trotzdem muss man sie in Ihrer Gänze hinterfragen dürfen. Ich will gar nicht soweit gehen, mich erneut über Veganismus und seine Missionare zu ereifern. Das habe ich ja jüngst getan (Vegane Heucheleien). Mit Wohlwollen nehme ich aber auch die Gegenseite war. Menschen, die mit gesundem Menschenverstand argumentieren und erkennen, dass hinter Dogmas auch der Versuch steht, Mensch zu beeinflussen. Eine Machtfrage. Und deswegen ist vielleicht Freiheitsliebe und mein Wille, uneingeschränkt alles sagen und schreiben zu dürfen, der Vater meiner Missliebe gegenüber Dogmas. Mir gefiel der Aufschrei von Vincent Klink hierzu (Ich lasse mich nicht vor den dogmatischen Biozirkus spannen). Zuviele Schauspieler tummeln sich im Ernährungsmarkt, die mit besonderer Verve Ihre Überzeugungen verkaufen. Eine Sarah Wiener löst bei mir ein strammes Aufstellen sämtlicher Nackenhaare aus, denn ich bin bei Ihr immer sicher, die aktuell populärsten Ernährungsmythen aufgezeigt zu bekommen. Jüngst ging es den Dogmatikern wieder soweit, dass sie Gifte gesund schreiben wollten. In der Diskussion um “Grüne Smoothies” wollte man einfach nicht wahrhaben, wie leberschädigend pflanzliche Abwehrstoffe sein können und das man sie nicht damit wegzaubern kann, wenn man von bitterer Medizin faselt, die ja auch Ihren Nutzen stiftet.

Kirchliche Dogmas stehen heute in der Öffentlichkeit und den Medien auf wackeligen Beinen. Ob nun seriöse Zeitung* oder nicht, öffentlich rechtlich oder privat: Immer wieder werden die wildesten Theorie nonchalant postuliert und von keinem hinterfragt. Wann aber ist der Mensch aufgeklärt genug, um seine Unwissenheit über die Gesamtzusammenhänge menschlicher Ernährung einzugestehen und stärker wissenschaftlich zu begründen? Es gibt noch viel zu lernen zu diesem Thema, wir wissen noch vieles nicht, um Gewissheiten aufzunehmen. Wer heute empfiehlt, abwechslungsreich zu kochen, der tut das einzig Richtige in der jetzigen Situation: Weil wir unwissend sind über Einzelrisiken, streuen wir unsere Entscheidungen breit und minimieren unsere Gefährdung. Hygiene beim Essen, der Gesichtspunkt der Bekömmlichkeit und des Wohlgefühls sind hochzuhalten, Gifte minimieren (auch Genussgifte wie Koffein und Alkohol) und nicht alles auf eine Karte setzen, ein gewisses Maß zu halten in allem, was man tut. Da liegt man schon eher im Bereich der wissenschaftlichen Vernunft. Und ist fern von dummen Dogmas, die vielleicht auch nur was verkaufen wollen.

Sie alle helfen dabei, gutem Essen seinen Gehalt zu nehmen. Die Fähigkeit zum Genuss bringt es mit sich, die Fähigkeit gutes Essen zu erkennen.

Schlechtes Essen erkennt der Körper.

Mensch, hör auf Deinen Körper.

Hör auf Dich selbst und nicht die Dogmen!

* eine Ausnahme ist das Blog “Food Affair” von Melanie Mühl und Diana von Kopp, die es mit Rationalismus und Kritik hervorragend meistern, Dogmen zu entzaubern

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