Heidi in Japan

Ab und zu verschlägt es uns ins benachbarte Düsseldorf. Meine Frau mag die vielen Modegeschäfte und als Kölner schaue ich immer neidisch auf deren japanische Community. Der beste Beweis, was Migration für eine Bereicherung sein kann. Und auch für Heidi ist roher Fisch ein kulinarisches Vergnügen!

Konichiwa! Japan ist ein eben so exotisches wie fremdes Land, aber gleichzeitig auch mein persönliches Faszinosum par excellence. Es ist einfach, mit Japaner anfangs umzugehen, die Höflichkeit ist sprichwörtlich. Dennoch ist es weitaus schwierigeres, Ihr Denken und Handeln wirklich zu verstehen,insbesondere wenn man aus einer westlichen Individualgesellschaft kommt. Ich bin sicher kein besonderer Freund des strengen Konformismus, den die japanische Gesellschaft erzwingt, um aus dem fremden Individuellen das Kollektive zu machen. Aber der Traditionalismus in der Ernährung und Küche allgemein ist doch bei mir äußerst positiv besetzt. Man verbessert nicht um des Verbessern Willens, sondern man verändert nur dass, was auch sinnvoll ist. Man schätzt hochwertigste Zutaten und hat ausgereifte Handwerkstechniken entwickelt, die immer wieder von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Der Umgang mit Fisch und Gemüse ist ganz besonders außergewöhnlich. Wie reich und hoch entwickelt diese Tradition ist, zeigt für mich alleine das IKE JIME Verfahren.

IKE JIME ist eine Fischtötungstechnik, die handwerklich höchst kunstfertig ist und dabei dem Fisch möglichst wenig Pein bei seinem Ableben zufügen will. Für Supermarktjunkies ist es vielleicht verrückt, dass man sich mit Tötungstechniken beschäftigt, wo sie doch Ihr Fleisch nur eingeschweißt kennen. Doch dieser elementare Teil im Umgang mit Fleisch zeigt, ob wir eine Würde vor dem Tier bewahren oder grausam sind. Es ist auf eine himmlische gerechte Art logisch, dass die sanfteste Art zu Töten ausgerechnet den besten Geschmack im Fisch hervorbringt. Derjenige, der ein Tier würdevoll tötet erhält als Lohn die bestmögliche Nahrung. Das ist bei Landtieren ja keinen Deut anders. Ich kann das Verfahren hier nur kurz andeuten: Es beginnt mit dem Messerstich ins Hirn, so dass der Fisch einen direkten, schnellen Hirntod erfährt. Der Körper, das mögen viele nicht so toll finden, lebt aber in seinen Kernfunktionen noch etwas weiter. Muskeln, Nerven und Organe arbeiten noch. Nach dem Kiemenschnitt, bei dem ein Großteil des Blutes ausströmt, bettet man den Fisch auf eine 2% Salzlösung, die kälter ist als der Fisch selbst. Der Fisch hat selbst nur 0,9% Salzgehalt im Blut. Nur wird durch einen natürlichen osmotischen Druck, unterstützt durch das pumpende Herz, das Tier vollends ausgeblutet. Bevor Wasser eindringt, wird der Fisch aus der Lösung entnommen. Es gibt noch viele Facetten zu dieser Technik, sie ist schwierig zu lernen und braucht viel Geschick. Die einzig gute Erklärung findet man meines Wissens in Magnus Nilssons Kochbuch “Fäviken” (S. 103-105). Eine wirklich gute japanische Einführung habe ich nicht gefunden, aber hier ist zumindest das Grundsätzliche erklärt:

Wenn ich von Schlenkern an Karlsplatz und Kö endlich im japanischen Viertel bin, zieht es mich oft ins Yabase in der Klosterstrasse. Ein klassisch japanisches Sushi-Restaurant, von der Einrichtung bis zur feinen Küche 100% japanisch. Nur wirklich hochwertige, astreine Zutaten werden dort benutzt. Mittags gibt es kaum Plätze, die nicht von Japanern besetzt sind. Japaner, so wissen Reisende, sind sehr anspruchsvolle Esser und legen auf die Qualität der Produkte mehr wert als wir Europäer das im Allgemeinen tun. Mit Fisch kennt man sich überdurchschnittlich gut aus, weshalb man als Landratte erstmal ein wenig in interessantem Material blättern kann.

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Japanisch essen heißt fast zwangsläufig roher Fisch und da schreit man in Deutschland gerne auf. Mit der Heidi Sushi essen? Während Schwangeren das Essen von roher Köstlichkeit sofort untersagt ist, ist man bei Kindern nicht weniger rigoros. Es ist sicher gut gemeint, denn wer nicht wirklich frischen Fisch gut zu behandeln weiß, der lädt sich mikrobakterielle Sporen ein, mit denen nicht zu spaßen ist. Wenn man aber um die Sorgfalt eines echten japanischen Sushi-Chefs weiß, der seinen Kunden niemals mittelmäßigen Fisch vorsetzen würden (eine Schande, die kaum zu reparieren wäre) und für die bakterielle Reinheit größte Sorge trägt, der kann eine zweijährige Maus ruhig an den Fisch lassen. Für das Gros deutscher Sushi-Restaurants gilt das übrigens nicht – weder werden die in der Regel von sachkundig trainierten Japanern geführt und außerdem ist Fischeinkauf jenseits der Großstädte schwierig. Solche Restaurants meiden wir wie der Teufel das Weihwasser, das ist einfach nur billige Geldmacherei ohne Sinn für den Fisch.

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Meine Frau war ganz außer sich, endlich mal wieder tolles Sushi zu essen! Auf Wein und Sushi für 9 Monate Schwangerschaft zu verzichten, empfände ich selbst als ziemliche Bürde. Heidi haben wir dann erstmal mit leckeren Udon Nudeln angefüttert, das Leib und Magen Gericht vieler japanischer Kinder. Dazu ein Omlett – schlicht perfekt gestockt – dass lieben Kinder genauso! Und so hat sie sich auch zwischen Orangensaft und Miso an den Fisch gewagt, der ihr vorzüglich schmeckte. Soja und Wasabi Paste dagegen lässt man besser weg – einerseits belastet zuviel Soja die schwache Leber kleiner Kinder und von einer gehörigen Portion Wasabi läuft sofort die Nase, was auf dem Teller äußerst unapetittlich werden kann.

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Wie man sieht, Udon Nudeln sind der Hit. Ich habe mir geschworen, dass wir endlich mal meinen eigenen Traum verwirklichen: Nach Japan zu reisen! Aber erst, wenn die Heidi sich an diesen Trip wird erinnern können – so in vier bis fünf Jahren vielleicht. Bis dahin gehen wir sicher noch ein paar Mal ins Yabase – sayonara!

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2 Comments

  1. Vera Höll says:

    Gibt es auch Sushi mit Fischen, die nach der Ike Jime Methode getötet wurden in München oder Umgebung? Ich weiß, dass es in Augsburg das Restaurant Manyo (Gedicht auf Japanisch) gibt bzw. gab. Aber ich weiß es nicht, ob sie Sushi machen.

  2. Markus says:

    Hi, leider hab ich in München keine Tipps, da bräuchte ich selbst welche. Schöne Grüße

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