Die zentrale Frage beim Kochen lautet nicht “Was gibt’s, Schatz?”. Das war mal, das waren die Zeiten wo man von der Arbeit nach Hause kam und Elsa die Pantoffeln ausrichtete, so dass man ohne zu schauen hineinschlüpfen mußte. Heute heißt die maßgebliche Frage: “Wer kocht? ….Ach ja, ich bin’s nicht!”. Im Geschlechterkampf werden die Aktien neu verteilt. Und so hat sich in jedem Haushalt deswegen ein Teil herausgebildet, der kochen muss und ein anderer, der dank seiner Macht nur essen darf. In unserem Falle bin ich der Koch. Iss halt so. Und vielleicht fragen sich dann Einige, ob das Leid des latenten Kochens dadurch geringer wird, dass man sich der Convenience in Form von Kochboxen bemüht. Quasi als Edelalternative zur Fertigpizza. Nach 3 Monaten hörte jetzt mein Versuch helloFresh! auf und das Fazit hierzu steht hier:
Abbildung: Gnocchi mit Grünkohl und irgendwas….
Über Jahre bin ich immer wieder von mir vorher unbekannten helloFresh Abonnenten in meinem Freundeskreis drangsaliert worden: Probier es doch mal aus, ist wirklich super! Auf der Gutscheinkarte prangte schon mal eine fette 100 €, was hohen Wert suggerierte. Auch wenn der tatsächliche Gutschein in dieser Höhe über viele Wochen erst verzehrt werden mußte, um sein Versprechen zu erfüllen, die erste Aufmerksamkeit war da. Was den Empfehlungstrieb meiner Umgebung aber so befeuerte, waren nicht die großartigen Erfahrungen mit hellofresh, sondern vor allem deren Kickback: Auch Sie bekamen Geld auf Ihr Konto gutgeschrieben, wenn ich denn die Box ordern würde. Was für ein mieses Spiel, dachte ich. War dies der Grund, warum das Kochbox Startup aus Berlin erfolgreich war? Oder lag es dann doch am Konzept der Boxen? Sind Sie gar so gut, dass wenn man sie dann mal hat, eventuell gar nicht mehr ohne Abo kann? Werde ich etwa abhängig von helloFresh? Oder wird nur der natürliche Drang zur Faulheit clever missbraucht?
Wie kam es eigentlich zur ersten Box?
Selbst bin ich eigentlich ein ganz ordentlicher Amateurkoch, der aus Leidenschaft gerne allerlei Sachen zusammenbrät. Vermutlich ist es immer mit zuviel Fleisch und zuviel Sose, ich versorge quasi meinen Körper selbst mit dem, was ihm gut tut. Und im Zweifel eher zuviel davon. Und ich bilde mir ein, schon so einiges gelernt zu haben über viele Jahre, so dass ich besonders weiß, was mir besonders gut im Magen liegt. Besonders stolz bin ich, wenn mein Gericht eine ordentliche Kreativität mit handwerklicher Finesse beweist. Das klappt natürlich nur in der Wiederholung gut, ich wiederum liebe die Abwechslung. Also muss ich Abstriche machen, was kein Problem für mich ist. Meine Kochgäste sind eigentlich unkritisch, solange es kein Grünzeug ist. Natürlich bin ich kein Meisterkoch, der das gleiche Theater auch für 50 Gäste am Abend hinbringt. Vor derart meisterlichen Köchen, die Kreativität mit höchster Passion und Disziplin paaren, ziehe ich den Hut. Aber nur weil ich gerne für mich koche, heißt das noch längst nicht, dass ich jeden Tag gerne für andere Koche. Vor allem, wenn es die eigene Brut ist! “Papa, kannst Du nicht Pommes machen?”, “Papa, ich mag das Grüne nicht!”, “Papa, schon wieder Fleisch?”. Das nervt, wenn der Koch für seine Mühe nur Abfuhren bekommt. Und dann vergessen wir nicht die Kreativität! Ich hatte mir selbst etwas überlegt, eingekauft und es auf den Teller gebracht! Das ist ein rundes Arbeitspacket! Wenn ich dann von Kochboxen las, war das für mich eine Beleidigung: Ihre Kreativität brauchen wir nicht, alles ist abgepackt, alles ist genau in der richtigen Menge da. So wurde es nichts mit meiner Liebe zu Kochboxen….wäre da nicht auch meine Frau gewesen.
Sagen wir es wie es ist, in Kochdingen ist meine Frau faul. Keine Ambition und wenn sie mal kocht, ruft Sie ihre Nichte an und fragt nach dem Rezept.Genau hier lag der Knackpunkt: Ich hatte eine schwache Phase beim Kochen, es machte mir einfach wenig Freude. Und da kam die Idee, ich könne es doch mal mit hellofresh probieren – also für meine Frau. Mich selbst entlasten und meine Frau geringfügig belasten! Das war die Idee! Die war davon zu meiner Überraschung durchaus angetan und zudem gab es noch die Option, den Thermomix für Rezepte speziell zu nutzen. Das Gerät hatten wir und deswegen war der Versuch eigentlich schon genehmigt. Meine Frau war auch fest im Glauben, dass wir fortan weniger Lebensmittel wegwerfen würden, weil ja alles portioniert komme. Schauen wir mal.
Die erste Box – alles ganz anders
Die erste Box kam. Aus einer langen Liste von Gerichte, die alle nicht unbedingt nach Hausfrauenküche aussahen, konnte ich wählen. Es war zumindest recht exotisch, allerlei Currys und Kirchenerbsen machten einen guten Eindruck. 4 Gerichte pro Woche schien mir mehr als ausreichend für den Anfang. Und dann kam nach ein paar Tagen die erste große Box. Das Ungetüm enthielt gut abgepackt die Ware, der Müll war überraschend gering und bestand quasi nur aus Pappe und Papier. Ich hatte schon Sorge, wie ich die Box entsorgen sollte. Das bekam ich dann eigentlich gut hin, ab und zu aber mußte ich eine Sammelladung zum Bauhof der Stadt bringen. Ich würde aber sagen, dass definitiv unser Plastikmüllanteil zurück gegangen ist. Chapeau! Auch dass die portionierten Mengen klein und ausreichend waren, stellte sich als optimal heraus – weggeworfen wurde wenig. Und wie waren die Rezepte?
Auf den ersten Blick war alles abwechslungsreich. Schließlich konnte ich ja viele Gerichte auswählen und dies sah alles nicht so sehr nach Wiederholung aus. Mit dem ersten Rezept in der Hand war ich aber dann überrascht. Es stellte erstaunlich hoher Stress ein. Ich war es nicht gewohnt, gegen 19 Uhr ein Rezept Schritt für Schritt zu beackern. Schließlich entwarf ich die Gerichte sonst selbst und hatte quasi in mir alles komponiert. Nun aber wußte ich gar nicht: “Bin ich jetzt hier in der Soße oder der Beilage?” Obwohl die Rezeptkarten mit Bildern denkbar gut aufgebaut sind, sind viele der Rezepte wider die normale Logik. Dazu trägt auch der Thermomix bei. Wenn Kräuter und Zwiebeln gedünstet werden müssen, ist das mit Messer und Pfännchen eine einfache Übung. Plötzlich aber wird alles sequenziert, der Thermomix dreht sich 10 sec in Stufe 8, dann bitte auf 120 Grad stellen und 10 Minuten bei Stufe 1 dünsten. Nach und nach lernte ich, dass man aus der Lameng bei hellofresh nichts kocht. Besser, man liest sich das Rezept in Ruhe durch, auch um die ungewöhnlichen Zusammenstellungen zu verstehen.
Zu den ungewöhnlichen Dingen gehört auch die Modifikationen bekannter Speisen mit sehr ungewöhnlichen Zutaten. Hier fiel mir immer wieder die Panade auf. Eier werden vermutlich ungerne versendet, da sie selten heil ankommen. Also wird jedes Gargut in Panko-Mehl (wer kennt das schon?) mit Senf gebunden. Das schmeckt sehr gut, wenn man Heißhunger hat. Aber irgendwann fällt einem die Aufdringlichkeit des Senfes des Herstellers Heinz stark auf. Die Panade ist einfach wahnsinnig würzig, weil der Senf (oder die Mayonnaise) als Emulsion Bindung mitbringen soll. So dauert es nicht mehr lange, bis sich dieser vordringliche Geschmack sofort breit macht, wenn man die Box nur öffnet. Es ist wie mit einer Tüte überwürzter Kartoffelchips, sie wissen schon wie es schmeckt bevor sie die im Mund haben.
Nach Woche 10 ist doch alles gleich
Das Potpourri bekannter Geschmäcker stellt sich dann nach und nach ein als eine Art Dauerwiederholungsschleife. In unserer 10 Woche wußte ich eigentlich schon, was kam. Es war immer das gleiche. Nicht oberflächlich, da sah alles immer ganz toll und anders aus. Aber unter der Haube elende Wiederholung. Bei den Zutaten bedeutete dies, dass es eigentlich nur 3 Komponenten aus der Abteilung Fisch und Geflügel gab: Es gab immer nur Seelachs. Ganz selten mal Lachs, meistens einfach Seelachs. Den kennt jeder, weil er Fischstäbchen sowas wie die weiße Füllung gibt, aber leider ein ziemlich lahmer Fisch. Dann gibt es immer mal wieder Hühnchen in Lake, von der Qualität her meistens in Ordnung. Und Hackfleisch, dass immer gut abgepackt ist und unverdächtig. Aber das war es auch schon. Es dreht sich immer im Kreis um diese lahmen Komponenten. Dazu die ewige Wiederholung der gleichen Gemüse: Kartoffel (welch Wunder!), gerne Baby-Spinat und rote Paprika. Der Spinat ist so eine Art Allzweckwaffe, um ansonsten zu flüssigen Sossen noch Halt zu geben. Dazu kommen auch immer die Würzmischungen wie “helloPaprika” oder die hefelastigen Pulverbrühen. Nie geknappst wird mit Sahne oder Schmand, da war ich immer überrascht, wie fettig manche Gerichte waren. Aber unsere Kinder sind bei Fett extrem dankbare Esser. Ab und zu war dann doch mal eine ungewohnte Zutat dabei wie Grünkohlblätter, die (siehe Foto) in der Tomatensosse zu Gnocchi eine ganz gute Figur machten.
Tja, und so pendelt sich einfach alles irgendwie ein. Und so wünscht es sich der hellofresh-Konzern: Jeden Montag (Sie können auch andere Wochentage nehmen) kam dann unsere Box, die wir mit der Zeit auf 3x Gerichte pro Woche reduzierten. Den Rest der Woche kochte ich selbst oder wir bestellten beim Lieferservice. Die abgepackten Gerichte wanderten in den Kühlschrank, die Eisbeutel wurden ins Waschbecken geknallt und die Box auf den Müll geworfen. Das schöne: Damit war ein Großteil des Wocheneinkaufs erledigt, kaum etwas fehlte und wir fühlten uns immer gut präpariert auch wenn die Woche eng werden würde.
Ging die Rechnung auf?
Von den reinen Kosten her empfanden wir hellofresh nicht als sonderlich teuer. Man darf es natürlich nicht mit einem Abendbrot verwechseln, es wird vollwertig gekocht und das kostet eben was – bei uns kamen wir mit 3 Portionen für 4 Personen immer hin, was etwa 15,-€ kostete. Wenn ich selber koche und dann einfach zu groß portioniere, wird es schon mal schnell teurer. Wer sehr einfach zufrieden zu stellen ist, wer also etwas Kartoffel mit Möhre auch schmackhaft findet, der kommt natürlich auch anderweitig zurecht. Entscheidender für mich war aber die Rechnung, meine Frau einzubinden. Das ging leider total schief. Sie hat es 2x probiert und schnell die üblichen Auswege gefunden: Viel zu kompliziert, dauert ja viel zu lange!
Und, naja, ein wenig hat sie recht: Die Rezepte sind manchmal viel kompliziertes als die Nudeln mit Pesto, die sie sonst gemacht hätte. Da ist auch der Thermomix keine Erleichterung. Jemand, der nicht kochen mag, kocht natürlich auch nicht mit Kochbox. Aber die Zeit beim Einkauf wird ihm gespart. Bei allem anderen, gerade wenn es um die Kreativität und die Vielseitigkeit geht, ist hellofresh kein großer Unterschied zu Fertiggerichten. Wer also den Wert des wirklich eigenen Kochens schätzt und ihm auch die Zeit einräumt, die es braucht, den kann man niemals in Versuchung führen. Wer aber eh keinen Spaß am Kochen hat und etwas Zeit gewinnen will, der hat hier ein wenig gewonnen – aber um den Preis, dass es halt irgendwann einfach nur noch nach Kantinen schmeckt.
Ich probiere es jetzt gerne wieder ohne Boxen. Und wenn ich keine Lust zum Kochen habe? Da habe ich mir mal was überlegt, was wir wirklich noch nie gemacht haben: Abendbrot!