Da hab ich in meinen zwei vorherigen Beiträgen das SZ-Magazin indirekt gelobt, prompt erscheint am 29. August eine Ausgabe über die Diktatur des Designs, in der es nur so wimmelt von allgemeinem Geschwätz und unlogischen Schlussfolgerungen, die mich verägert haben. Zeit für eine kurze Kritik! Prosaisch bemeckert Georg Diez im Magazin den Designterror, guter Geschmack aller Ortens und der früher notwendige Versuch, unser Land zu verschönern, sei außer Kontrollle geraten. Offenbar war der Autor in letzter Zeit nicht oft in Köln, wo nach langer Zeit des Stillstands wieder an einem Masterplan für die Stadt gearbeitet wird, die die Wunden des Krieges noch längst nicht verwunden hat. Er beschwört zudem das universelle Argument, der Designwahn hänge damit zusammen, daß Dinge und Orte Ihre Funktion verlieren. Der Autor spricht von Zahnbürsten, die wie für den Extremsport entwickelt sein und nicht für die persönliche Hygiene. Das würde aber doch bedeuten, daß das Design selbst falsch ist und die Funktionen nicht mehr unterstützt. Die Zahnbürste “Extreme” zeugt doch dann aber eher von einem anderen Funktionsverständnis. Es bleibt die Funktion “Hygiene” als Primat erhalten und sie wird ergänzt um andere Additive wie “Hochleistung”, “Tuning”, “Sportliche Optimierung”,etc. Sieht man es so, dann fällt auch das naheliegendste Argument in einen logischen Zusammenhang, nämlich das eine Gesellschaft in einem Überangebot von Waren sich nicht mit dem sinnfälligsten Formergebnis zufriedenstellt, sondern sie versucht einen Mehrwert im Design zu finden, der die Auswahl für ein Produkt erleichtert. Von Funktionsverlust ist also nicht die Rede, zudem möchte man die Lebenswelten und den Status des Konsumenten klarer ausdrücken. Das Design hat viele Entwicklungsrichtungen, von denen nicht die Rede ist im ganzen SZ-Magazin. So ist es oft so, daß eine Periode glänzt durch überfrachtetes, verspieltes Design. Davon gelangweilt kann auch wieder eine Periode der Reduktion folgen, in der alles scheinbar überflüssige konsequent entfernt wird. Paola Antonelli nervt darauf in Ihrem Interview mit Allerweltsfestellungen zur Philosophie des Designs, die darin gipfelt, daß die Designer die Dolmetscher werden zwischen den Ideen der Wissenschaft (Nanotechnologie und Biomedizin) und den Bedürfnissen der Unternehmen. Damit hat Sie ihrem Berufsstand eine so priviligierte Stellung zugewiesen, der den Designern sicher schmeichelt, aber Ihnen ebensowenig gerecht wird. Eher steht zu befürchten, daß jede Tätigkeit, die mit dem Ordnen, Strukturieren und klassifizieren von Informationen künftig unter den Begriff des Designs fällt (Beispiel Webdesigner). Und die Form ist am Ende entscheidender als die Funktion und Ihre Bedeutung? Dann wäre also auch das Auto keine falsche Antwort auf die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen, sondern nur seine Form falsch gelöst? Ja, so einfach kann die Philosophie dann sein, keine existentiellen Fragen bitte, lassen Sie uns bei der Oberfläche der Dinge weilen! Designer organisieren das System und wenn wir unser Leben gestalten, werden wir zu Designern. Wir müssen uns nicht mehr Fragen, welche Rolle wir übernehmen, sondern wie wir dabei aussehen (Stichwort Ästhetische Chrirurgie). Nicht jeder Mensch wird also ein Künstler (Beuys), jeder Mensch wird ein Designer. Künstler sein ist doch ein wenig zu anstrengend, oder? Wenn Design der populistische Arm der Kunst ist (Alfred Barr), dann steht uns eine oberflächliche Verkleidung unseres Lebens bevor. Dann wäre es tatsächlich so, wie Diez schreibt, daß unser Design ein Lebensersatz wird, ein Schutz vor der Wirklichkeit, in “der sich die Form um die Dinge stülpt wie ein Panzer”. Darüber hätte man gerne mehr erfahren, davon war aber wenig zu lesen. Ach ja, die Bilder waren aber wie immer grandios!
Jeder Mensch ist ein Designer
Posted in: Blogging
/ Tagged: Alfred Barr, Design, Diez, Form, Form follows function, Jeder Mensch ist ein Designer, Joseph Beuys, Künstler, Oberfläche, Paola Antonelli
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