Bismarck und Hesse

“Einen wirklich großen Mann erkennt man
an drei Dingen:

Großzügigkeit im Entwurf,
Menschlichkeit in der Ausführung
Und Mäßigkeit beim Erfolg.”

Otto von Bismarck

Bismarck, der preußische Junker, der Antibürokrat und Antiautoritäre mahnt an, wie wichtig es ist, daß ein jeder sich hohe Ziele setze, die Ausführung aber von Menschlichkeit und Wissen über die Schwächen und Tugenden der Umwelt gekennzeichnet sein muß. Nicht vergewaltigen muß er die Folgenden, er sport sie an und akzeptiert das Scheitern des ganz großen Entwurfs, um einen großen zu erreichen. Die Bescheidenheit steht ihm gut an, denn sie bringt ihm Zuneigung und Unterstützung im Folgenden. Es ist klares Zeichen, daß er es für das Ganze getan hat und nicht das Eigene in den Vordergrund steht.

Konfuzius beschrieb letztere Feststellung genauso: “A great man is modest in his words, but exceeds in his actions.” Ähnlich tröstlich und begleitend schrieb der selten optimistische Nietzsche: “Hat man sein warum? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem wie?.” Man kann es drehen wie man will, Menschen muß man mögen, wenn es zum Ziele führen soll.

In diesem Sinne fehlt nur noch eines: Gute Eingebungen und der Wille, es zu beginnen. Und damit aber auch gleichsam zu akzeptieren, daß das eigentliche Moment nicht die Errichtung eines Ewigen ist, sondern es die laufende Veränderung ist, die uns auch groß macht. Sie deutet uns an, daß es am meisten Mut bedarf, nicht dem Fremden anderen zu begegnen, sondern dem Fremden in uns selbst. Den ängstlichen Friedhöfen unserer Seele, unserer Furcht vor Gefühlen, die uns beherrschen und gleichsam nur ertragen werden können, wenn wir ihnen wirklich begegnen und nicht sie zu schlagen oder zu ignorieren. Hesse tut dies am einfühlsamsten in seinem Gedicht Stufen, dessen Verständnis auch jedem hilft, den Bismarck Satz mit Sinn zu leben:

S T U F E N

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

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