Nach Böhmermanns #Doxxing des Accounts „Clownswelt“ arbeiten sich juristisch veranlagte YouTuber und Rechtsanwälte daran ob, ob die Preisgabe der Identität des rechten Kanals in Ordnung geht. Eigentlich ist das nur eine weitere Dimension des Skandals, aber politisch von nachgelagerter Bedeutung. Das Urteil über Böhmermann und das ZDF muss nach politischen bzw. demokratischen Maßstäben gefällt werden.
Prämisse ist in einer offenen Demokratie, dass es einen uneingeschränkten Debattenraum freier Meinungsäußerung geben muss. Alles ist dort sagbar und erlaubt, außer es ist eine strafbare Handlung. In der gleichen Freiheit bewegt sich auch die Satire, die als humoristische Machtkritik zu verstehen ist. Richtet sie sich nicht an die Macht, ist es nur Comedy. Richtet sich die Satire an die Opposition, kann es staatliche Agitation sein.
Böhmermann agierte, als hätte er die Moral auf seiner aktivistischen Seite. Das Doxxing war legitim für ihn zum Schutz der Demokratie. Was daran satirisch ist, ist eine berechtigte Frage: Böhmermann hat ohne eine Anklageschrift und ohne Legitimitierung einer Instanz ein moralisches Urteil fällen wollen, das einschüchtert und Reputationsverlust erzeugt. Es ist der Versuch, sozialen Schaden für das Opfer zu erzeugen.
Das Satire zu nennen ist leider Teil des Blindflugs des ZDF-Intendanten Hashtag#Himmler (er heisst wirklich so). Denn wo ist da die Machtkritik, für die Satire steht? Satire ist die schärfste Form der Meinungsfreiheit, die Existenz von Satire ist ein Gradmesser der Lebendigkeit unserer Demokratie. Aber wenn Satire nicht die eigentlich Mächtigen des Staates bedroht, sondern quasi im Staatsauftrag Agitation gegen selbsterklärte Feinde betreibt?
Diese moralischen Urteile Böhmermanns, die typisch für Cancel Culture sind, möchten ihr Urteil ohne Verteidigung vollstrecken. Außerhalb der Judikative soll wohl ein Bedürfnis nach moralischem Scharfrichtertum befriedigt werden. Das ZDF erkennt darin noch nicht mal ein Problem. Kategorieverwirrung?
In gleicher Weise wie der Verfassungsschutz geht man bei „Hass und Hetze“ von einer „Delegitimierung des Staates unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ aus. Tommy Haldenweg hat Gift gegen die Meinungsfreiheit erfunden und das ZDF exekutiert es als „Satire“?
Böhmermann will im Kulturkampf aktivistisch verurteilen und vollstrecken, alles unter Applaus des johlenden Publikums. Im Ergebnis soll der Diskursraum des Sagbaren verengt werden auf ein dem „Shitbürgertum“ bzw. (in Vertretung der Regierung) dem Rundfunkrat erträgliches Maß.
Böhmermann ist vermutlich selbst erfüllt von dem Glauben, ein Schützer der Demokratie zu sein. Als Aktivist ist er ein Feind der uneingeschränkten Meinungsfreiheit und ein klassischer Vertreter der Cancel Culture.
Das ZDF nennt das weiterhin Satire, wow, dafür muss man schon ein echter Zyniker sein, um das noch zu glauben.
Link von PBS: Ist Doxxing legal (https://lnkd.in/eNrq7Dsp)?