Pieter Bruegel der Ältere - Der Alchemist

Digitaler Zahlungsverkehr

Pieter Bruegel der Ältere - Der Alchemist

Warum geht das mit dem digitalen Zahlungsverkehr in Deutschland nicht weiter? Ein Beispiel heute morgen beim bekannten Traditionsbäcker in der Ehrenstrasse:

Ich: “Morgen! Einmal das Bioroggen”

Verkäuferin und auch die Eigentümerin pariert knapp auf rheinisch: “Morjen, so dat Brot, 4,99 €. No’ wat?”

Bioroggen-Sonnenblumenkern. 4,99€ für 500 g – herrje, Bio ist nicht billig…

Ich: “Ne, das reicht.”

In meinem Gedankenkino geht dann die Post ab: Mist, mal wieder Bargeldebbe – nur ein 50 Euro-Schein lugt aus meiner iPhone Hülle raus. 500g Brot, 5,-€….da komm ich bei meinen Hyänen zu Hause wieder keine 3 Tage weit…ach, wird ja eh nur hart wenn ich jetzt gleich 2 hole…..und dann 10,-€ für Brot….ich muss weiter! Ich zücke den Schein und bin so nett daran zu denken, dass große Scheine in der Kleingeldhölle dieser Bäckerei eine Ansage ist.

Ich: ‘Tschuldigung, hab nur ‘nen 50,-€ Schein…

Verkäuferin: Aber den Cent ham’ se doch?

Ich: Ne, tut mir leid. …. (Pause) Geldautomat gibt leider keine Münzen raus.

Verkäuferin (frech): Tss, ich hab ja immer Münzen im Portmonnaie

Ich (leicht verärgert) Hab ich gar nicht mehr, nur noch ein Kartenetui am iPhone.

Verkäuferin (arrogant): Oh je, so einer….

Ich (beleidigt) Wenn es nach mir ginge, ich würde ja am liebsten per Telefon oder Karte zahlen

Verkäuferin: Mir gehört der Laden seit fast 30 Jahren. Bei den Kleinbeträgen, dat lohnt nicht

Ich: Also, ich will hier nicht mit Skandinavien oder USA als Beispiel kommen, aber ich habe sogar schon in Kenia mit dem Mobiltelefon mein Frühstück bezahlt. Nur hier weigert man sich ja wacker.

Verkäuferin: Wir sind hier ja nicht in Afrika

Ich (sauer): Gerade dass ist ja das, was mich ärgert! Schlimmer als Afrika!

Verkäuferin: Wissen was die Dinger kosten? Dat lohnt nicht!

Ich: Bei der Sparkasse vielleicht – mittlerweile kosten die Geräte keine 50,-€ mehr und die Transaktionskosten sind da unter 2,5% – das kann man auch bei 4,99€ noch vertreten!” Und seien wir mal ehrlich wenn ich Ihre Rolex da sehe, was ich natürlich nicht erwähnte: “Bei Ihnen spielen die Cents doch eh keine Rolle, Ihre Bio-Klientel wäre reibungsloser Zahlungsverkehr vielleicht wichtiger als 4,99 oder 5,05€….die kommen doch sowieso!

Verkäuferin: Ach, hören Sie auf, soll ich mich jetzt auch noch mit dem Quatsch beschäftigen

Ich (baff): Aha, naja, …..dann schönen Tach noch

Verkäuferin: Bis morgen

Ich gehe zum Fahrrad, ärger mich. Sie quatscht mit Ihrer Mitarbeiterin, ich würde bald vermuten, dass Sie mich für einen großen Idioten darstellt – ihr war nämlich genauso danach, sich mal zu fetzen wie mir an diesem Morgen, nur dass Sie ein stückweit besser präpariert war als ich. Sollte ich mich also ärgern? Habe ich gar recht oder übertrieb ich es? Bin ich der wahnsinnige, der die Beschleunigung der Welt antreibt, weil ich es ja so cool finde, wenn alles noch schneller, noch einfacher geht? Zu leugnen ist das nicht, auch ich trage Mitschuld. Nur die Frage war: Warum weigern sich soviele Unternehmen in Deutschland erfolgreich gegen die Umstellung des Zahlungsverkehrs? Warum kommen von der Sparkasse immer neue, ziemlich schlechte Lösungen in den Markt, die uns zum digitalen zahlen ermuntern sollen, aber im Internet nicht funktionieren? Geben wir es zu, der digitale Zahlungsverkehr ist fest in amerikanischer Hand: SEPA, Maestro, Visa, Mastercard, Paypal. Alles schneller, weltweit akzeptiert und billiger als die Sparkassen-Variante. Macht es aber für unser Land noch Sinn? Für die Unternehmen erst?

Tja, das ich aber wegen Kleingeldmangel immer dann zur Konkurrenz gefahren bin, wenn ich kein Bares hatte…interessierte sie vermutlich nicht. Mein Verhalten nur für diese eine Kaufentscheidung zu ändern, geht für mich schwer. Ich kam ja immer treu wieder, weil das Brot schlicht besser war als in den Industriebäckerauslegern, wo ich aber anstandslos mit Karte zahlen kann. Von wegen Homo Oeconomicus – Homo Zeitnos ist heute das Thema. Oft entscheidet sich die Kaufentscheidung an sowas banalem: Habe ich genug Bargeld oder muss ich extra zum Geldautomat, um mir das Brot zu holen?

Da kürze ich Familienpapa in Zeitnot schon mal gerne ab und reduziere die Brotqualität, weil ich mir den Weg zum Automaten sparen kann. Wo brauche ich auch sonst noch Bargeld? Mittags? Nöh. Beim Einkaufen? Nöh. Eigentlich nur beim Traditionsbäcker und beim Döner-Mann, vielleicht noch am “Büdchen” und natürlich dem weiteren letzten Mohikaner – der Kölner KVB (öffentlicher Nahverkehr). Diese Trutzburg der Verweigerung ist ja das beste Beispiel, wieso man einfach keinen Bock hat, sich damit zu beschäftigen. Warum? Überforderung? Überalterung? Nein, diese Ausreden zählen gerade bei einem so großen Apparat mit den Gehältern für das Spitzenpersonal schon längst nicht mehr – ich sage es mal so, wie ich es an tausenden Beispielen des Totalversagens (von Stadtarchiveinsturz bis regelmäßiger Tötung von Fußgängern und Radfahrern): Weil man einfach mal keinen Bock hat, sich damit zu beschäftigen. Weil einem ja eh keiner mal Druck macht – ist doch “scheissegal”. Gehalt und Pension sind ja auch sicher, was soll man sich da strecken für die junge Generation (ich bin 40!) und sich mit sowas verrücktem wie digitalen Zahlungsverkehr beschäftigen.

Seit Jahren steht man als Kölner also vor den regelmäßig kaputten Automaten (mechanische Systeme sind halt anfälliger), die nur Münzen können – aber wer hat schon jeden Tag passend Münzen parat, wenn er mal gelegentlich die Strassenbahn nehmen will? Ich erlebe es fast jedes Mal, wenn ich mitfahre: Der Wille ein Ticket zu kaufen ist da, doch die Verwunderung, dass nur mit Münzen bezahlt werden kann, ist grenzenlos. Immer mehr Konsumenten lehnen es nämlich ab, 500g Blech und Eisen mit sich durch die Welt zu transportieren, nur weil die KVB den Auftrag hat, der städtischen Sparkasse das Bezahlungssystem zu installieren (die beknackte Geldkarte). Und obwohl die Studenten, denen man das Schwarzgeldfahren ja noch verzeihen könnte, in Köln politisch gewollt sogar quasi umsonst fahren, haben wir bei den restlichen Mitfahrern einer der höchsten Schwarzfahrerquoten in Deutschland. Schätzungen gehen teilweise von bis zu 50% aus – man kommt halt nicht mehr hinterher, mit der Kontrolle. Der Zusammenhang aus Sicht der KVB? Nicht da. Dass man ein akutes Einnahmeproblem hat und es trotzdem sein Automatensystem nicht mal am Bahnsteig auf Karte umzustellen? Nein, man hat ja die Geldkarte, wie fortschrittlich! Das am meisten genutzte Zahlungsmedium Deutschlands exklusiv für Sparkassen-Kunden…..vermutlich würde Jürgen Fenske, KVB Chef, das gleiche antworten: “Ach, hören Sie mir auf, soll ich mich jetzt auch noch mit dem Quatsch beschäftigen!?”

Und so geht es weiter: Die Beschleunigung des Lebens und die Verdichtung des Alltages – sie sind anstrengend, nehmen zu – und so unschön sie sind – sie sind halt da. Richtiger Stress entsteht aber nicht, wenn das digitale funktioniert. Stress entsteht, wenn die Konsumenten mal digital unterwegs sind, dann wieder mechanisch, dann wieder bürokratisch und hier wieder nur persönlich – es ist besser, die Systeme sind homogener, wenn die Heterogenität zu groß ist. Klingt absurd, aber ist in Deutschland ja der Fall: Beruflich geht ohne High Speed nichts, beim Bäcker aber soll man erst zum Geldautomat (500 meter weiter) dackeln, um für ihn einen Schein (haha) zu holen. Was mache ich übrigens mit meinem ganzen Münzgeld, welches also fast nur Wechselgeld von Bäcker und KVB ist? Nun, ich habe wieder ein Sparschwein. Das wird dann einmal im Halbjahr geschlachtet und auf das Konto eingezahlt. Das geht übrigens heut zu Tage gar nicht mehr am Schalter, wer es mal probiert hat: Man kriegt einen Plastiksack, der wird zu einer Zentralstelle geschickt wo ein Automat das Bargeld zählt und den Betrag dem Konto nachher gutschreibt. Ist effizienter. Da kommt auch was zusammen, schnell mal 100-200 € in Kleingeld.

Verstehen sie mich nicht falsch – ich bin gegen die totale Digitalisierung. Meinetwegen dürfen die Deutschen Bargeld behalten. Und damit Ihre Kopfkissen füllen und Ihre Schwarzgeldkassen, soviel Freiheit und Wahnsinn darf sein. Aber bitte: Stellt diesen Wahnsinn im Alltag um – lasst den Kunden doch bitte die Wahl. Und bietet bitte, bitte bitte immer ein elektronisches System an, dass eine hohe Akzeptanz hat.

Können Sie nicht? Dürfen Sie nicht? Wollen Sie nicht?

Na dann lassen Sie uns mal ans Ruder – unserer Generation geht das nämlich nur noch auf den Sack.

Für die ältere Generation ist das digitale eine Gefahr – es ist für Sie fast undurchschaubar, eine Gefahr, denn Sie vermuten darin totale Transparenz. Wenn Sie wüßten, was das eigentlich für ein Informationschaos ist. Auszuwerten kann man nur die Massen, den einzelnen auszuwerten – das lohnt schlicht nicht. Aber man darf ja noch mal eine Angstphantasie haben und an Alchemisten glauben….

Pieter Bruegel der Ältere - Der Alchemist

Pieter Bruegel der Ältere – Der Alchemist

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