Der Wolf im grünen Schafspelz

“Der Wolf ist ein Migrant. Er kommt aus dem Osten in unser Land und weckt tiefliegende Ängste bei den Menschen. Nachdem er lange als ausgerottet galt, gibt es nun zu viele von Ihnen. Der Wolf ist kein wilder Hund, kein Schoßtier, er ist gefährlich und für Menschen schwer zu kalkulieren. Und er weckt Skrupel. Fragen nach der Moral. Wieviele Wölfe müssen wir davon ertragen und wann ist es genug? Wieviel Tiere darf er reißen?”

Sind wir längst machtlos in der Diskussion mit Naturschützern, die das Recht auf Ihrer Seite wähnen und die Natur abgegrenzt haben? Auf unerklärliche Art und Weise steht die Diskussion um den Wolf, so wie sie geführt wird, in Einklang mit der Debatte um menschliche Migration. Argumente der Moral wiederholen sich, ob Migrant oder Wolf. Und es gibt die üblichen blinden Flecken. Wo Opfer schon postuliert sind, könne diese keine Täter sein. Wo Täter benannt sind, haben diese keine legitimen Gründe, sich zu beschweren. Es gibt Tabus, über die wir nicht reden sollen. Auch gibt es die Ausblendung des eigentlichen Themas, nämlich welche Wirkung von Tier oder Einwanderer wirklich auf die Gesellschaft ausgeht. Denn auch wenn wir Immigration als Gesellschaft brauchen, verläuft Integration nicht als Selbstläufer. Die Integrationsfähigkeit hat Grenzen, über die heftig gestritten wird. Der Wolf wie der Migrant genießen jedoch für manche Diskutanten automatisch einen natürlichen Opferstatus ad definitionem. Ab diesem Moment liegt es an uns, diesen Status wieder zu heilen. Als Opfer sind sie sakrosankt und vor Kritik zu schützen. Es stellen sich sofort moralische Scheuklappen ein, die Debatte wird verlogener und Empörung als Gefühl bestimmt die Debatte. Wieso ist das bloß so? Eine Erkundung.

In all Ihren Extremen, den Sehnsüchten, Ihr Unmenschlichkeit als auch Ihrer Realitätsferne ist sie da: Pünktlich zur Wahl in Bayern und Hessen haben wir die endlich erhoffte Migrationsdebatte, die Angst vor Entfremdung und Zerbrechen der Schutzklammer der Nation auf Ihrem Höhepunkt. Die AfD erreicht nahezu ein Viertel aller Wähler, die Migrationslüge, also nach der die Losung “Wir schaffen das!”immer gilt, ist der größte Treiber für diese Entwicklung. Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich, nannte Gauck seine Realitätsbeschwörung. Sie ist aber noch nicht bei der Ampel angekommen, es ist nichts bedeutsames passiert, dass dem Bürger Handlungsstärke und Wille zeigt, eine Regulierung erreichen zu wollen. Viele Bürger erleben in Resignation, dass die politische Ordnung bedroht ist und die Wirtschaft im Niedergang ist. Dass Wölfe und Migranten ähnlich diskutiert werden, sie von bestimmten Kreisen geradezu sankrosankt behandelt werden, klingt für Grüne vielleicht verwegen, gar nach radikaler Ideologie. Diese Ablehnung kommt dann aus Kreisen, die das beschwören der Gefahren aus der Natur auch als rechtskonservativ abtun. Doch die Anhaltspunkte sind erdrückend, dass die Diskutanten die gleichen Argumente nutzen, ähnliche moralische Grenzen einziehen und die Bevölkerung machtlos eine Mischung aus Frustration, Wut und Ohnmacht getrieben wird. Denn es offenbart ein moralisch kodifiziertes Denksystem, dass sich in der Elite der Gesellschaft breitgemacht hat. Das ist deswegen erstaunlich, weil es insbesondere der grünen Partei eine Schlüsselstellung in der Gesellschaft zuweist, die aber nicht aus der ideologischen Präferenz der Mehrheit herrührt, sondern alleine daraus, dass jede Partei in Deutschland gerne sich korrumpiert in Ihren eigenen Werten, wenn sie mit den Grünen eine Koalition bilden will. Die Grünen sind die einzige Partei, die immer für alle Parteien im Angebot ist, wenn diese die Mehrheit in einer Koalition bilden wollen – das macht die Vorrangstellung der Grünen wirklich aus. Doch zurück zur Natur:

Der Wolf ist da!

Der Wolf ist frei von Natur aus. Aber ist er eine vom Menschen regulierte oder unregulierte Kreatur? In freier Wildbahn? Der Wolf ist nicht mehr ein Wildtier, er ist ein Eindringling. Es gibt keine freie Wildbahn mehr, denn in unserer Zivilisation und Kulturlandschaft existiert keine Wildnis. Wenn ein Wolf ein Schaf reißt, dann ist das kein Wild, sondern ein Nutztier. Die Diskussion um den Wolf steht an der Grenze dessen, was Naturschutz ist und wie weit er gehen darf. Wann ist es moralisch geboten, ein Tier zu schützen, einen “Teil der Schöpfung bewahren”, wie die evangelische Kirche argumentieren würde? Und wann ist es geboten, den Wolf zu töten, um einen Mensch zu schützen? Dass sind moralische Fragen, die wir mit Ethik beantworten sollten. Und mit Vernunft. Wenn der Wolf Menschen angreift, dann ist eine Antwort leichter möglich. Nehmen wir einen Hirten, der eine kleine Herde Schafe hat. Wenn ein Wolf beginnt Tiere zu reißen, dann ist nicht nur das Leben der Schafe gefährdet, sondern die wirtschaftliche Existenz der Familie des Schäfers. Die Familie des Schäfers wird im Wolf eine natürliche Bedrohung Ihrer Lebensform sehen. Den Wolf zu bekämpfen, dies dürfte die natürliche Reaktion sein, die wir zu erwarten haben. Da wir als Solidargemeinschaft aber nicht jedes Einzelschicksal in Freiheit betrachten, da unsere Gesetze sich nicht vom Individualrecht ableiten, dürften wir uns eher fragen: Wieviele Schäfer in Existenznot können wir als Gesellschaft uns erlauben, bis der Wolf, der als Minderheit geschützt werden soll, seinen Schutz wieder verlieren muß? Diese Antwort dürfte Subjektiv immer anders ausfallen, einige halten für unsere Gesellschaft für derart reich, dass der Wolf immer Vorrang haben dürfte und wir die Schäfer mit Almosen bedenken sollten. Andere erkennen aber im Schäfer sich selbst, sehen die Existenznot als ein Beispiel für Ihr eigenes Schicksal und pflichten dem Schäfer bei. Der moralische Ideologe hat ein Weltbild, dass ihm die Antwort liefert:

“Die Natur ist gut. Natürlichkeit ist authentisch. Die Natur ist bedroht durch den Mensch. Und wir sind als (ehemalige) Täter immer mit den Opfern, also muss hier der Mensch weichen.”

Diese Art von Denksatz findet man im grünen Universum überall wieder. Auf den Schäfer gemünzt, müssen wir eine andere Lösung finden für den Schäfer – da es keine durch den Nachbarn gibt, muß meist der Staat ran und soll da was tun. Auch für den, der sich mit dem Nachbarn solidarisiert, der Schäfer ist, der solle vom Staat besser alimentiert werden, damit er nicht soviel zu klagen hat. Ob gegen radioaktive Strahlung oder gegen Migranten, überall gibt es in dieser Ideologie Opfer, denen man helfen muss. Es wirkt wie die natürliche Fortsetzung eines besonders merkwürdigen Form der Vergangenheitsbewältigung der NS Ideologie: Wir sind grundsätzlich Schuldige, wir sind Kinder oder Enkel der Täter. Es gibt also immer sowas wie Kollektivschuld. Unser Leben heute ist nicht nur Sühne. Das haben einige schon lange getan, aber da wir nun ein reines Gewissen wollen, schützen wir die Opfer. Wir tun etwas sehr moralisch gutes, damit wir demonstrieren können, was wir aus dem Schicksal gelernt haben. Da wir dies so besonders gut machen wollen, knüpfen wir gleich an die unselige deutsche Tradition an, immer auf Platz 1 stehen zu wollen – mal als Herrenrasse, mal als moralischer Prediger. Hauptsache vorne in der ersten Kirchbank, wo Gott unser für unseren Fleiß auf Erden belohnen wird.

Überraschend und neu ist an dieser Ideologie, dass wir nicht nur im Namen uns bekannter Opfer sprechen können. Wir sprechen im Namen aller möglichen Opfer, auch denen, die gar nicht wissen, dass sie Opfer sein könnten. Denn durch diesen Schutz erreichen wir ein reines Gewissen. Wir sind dann moralisch rein und sauber. Das klingt praktisch, es ist eine Sühne, eine Kompensation. Ob die eigenen Verwandten wirklich Täter waren oder nicht, ist nicht mal entscheidend: Denn alle Deutschen waren ja irgendwie Täter, so die Auffassung.

Vergangenheitsbewältigung war und ist schwierig für diejenigen, die noch gar nicht geboren waren, als die Täter Schuld auf sich luden. Wie soll man jungen Menschen erklären, was die Großeltern getan haben, ohne eine natürliche Verbindung von Fleisch und Blut zur Schuld zu spüren? Es geht bis dahin, dass wir Schuld imaginieren, dass wir uns für eine unkontrollierbare Existenz halten, in der das luzide Ungeheuer jeder Zeit wieder ausbrechen kann. Mit Kapital und Technnologie zum neuen Wüterich werden und mit Hass die Erde entzünden! Davor fürchtet man sich. Schuld, die einem zugewiesen wird, die man aber nicht hat, richtet sich nach innen. Um sie psychologisch zu kompensieren, gibt es nur eins: Die Opfer zu schützen, indem ich kompensiere und mich entschuldige für die Schuld der Täter. Und das funktioniert tatsächlich, wer viel tut, der schafft sich ein reines Gewissen. Das lässt sich praktischerweise heute übersetzen: Wo kein Jude, da ist doch immer die Natur als Opfer menschlicher Untaten zur Hand. Wer viel pflanzt und sät, der erschöpft sich mit dem guten Gefühl, jetzt Natur zu schützen.

Auf erschreckende Art und Weise werden einige wohl feststellen, dass die Politik der (oft Grünen, aber nicht ausschließlich Grüner) Moralisten beim Schutz des Wolfes oder der menschlichen Migrantionsdebatte so überraschende Analogien birgt. Der Schutz des proklamierten Opfers, der Schutz der Natur (die zum Opfer des Menschen wird), ist derartig moralisch sakrosankt aufgeladen, dass es den Schutz des indirekt bedrohten “einheimischen” Menschen nachrangig macht. Und die Moralisten, die nur das Tier als Opfer erkennen können, sind derartig gelähmt, dass sie gar nicht anders können als handlungsunfähig zu bleiben, wenn der Wolf dann selbst ein blutiger Täter wird. Lieber opfern Sie den Schäfer bzw. die protestierenden Wutbürger, da sie nicht Teil Ihrer Ideologie werden dürften. Und wie in der Flüchtlingsdebatte ist der scheinbar einzige Ausweg die Provokation, das Zerwürfnis, die Moral zu entsorgen und schlußendlich die maximale Provokation an der Gegenseite zu tätigen, die nichts tun will: Das Tier selbst (illegal) zu töten oder aber ein Kreuz bei der AfD zu machen. Das wirkt aus Sicht des Moralisten wie ein identisches Verbrechen gegen die eigene Ideologie, denn da sind Schuldige dabei, wieder Täter werden zu wollen. Und die ist im Zweifel, das ist das eigentlich Erschreckende, wichtiger als die unmittelbare Humanität.


Abbildung: Der Stereotyp “Migrant” will eine Schablone erzeugen, in der ein Migrant immer Opfer, nie Täter ist. Der Wolf wiederum ist nur ein Tier und auch in der Beschreibung von Tieren werden Stereotypen genutzt.

Der Wolf ist ein Tier, er kann kein Gewissen haben. Deswegen ist der Mensch natürlich nie ein Tier – also verstehen Sie das bitte niemals als eine Parallele, die ich gezogen haben. Der Stereotyp ist der Flüchtling als Opfer, dabei ist er ein Mensch, als solcher erstmal weder Täter noch Opfer. Er ist eine komplexe Person und kein Stereotyp. Auch wenn ausgerechnet die Opferideologie mit Stereotypen arbeitet. Er kommt aus verschiedensten Gründen in dieses Land, wovon Flucht vor Verfolgung sicher der wichtigste und legitimste Grund für das Asyl darstellt. Doch um diese Menschen handelt es sich bei den Kritikern nicht, es geht um Wirtschaftsmigration und illegale Migration, die diesen aufstösst. Dann werden aus Opfern plötzlich Nutznießer, Menschen, die den Sozialstaat für sich nutzbar machen, der doch für die eigenen Sozialfälle gedacht war. Und die Steigerung, die man nun eben nicht verschweigen sollte, ist der kriminelle Migrant. Genau hier, in diesem Fall, setzt allerdings der Opferschutz wieder ein. Wenn der Wolf nicht nur ein Schaf im Wolfpelz ist, sondern ein Weiderind reißt oder gar ein Kind? Was ist, wenn der Migrant, der doch ein Opfer sein soll, selbst kriminell wird und mit Messern tötet? Ob traumatisiert oder aufgrund niederer Motive ist eigentlich erstmal zweitrangig, erstmal ist es ein Faktum, dass die Gesellschaft mit dem Täter sich auseinandersetzen muß und wirkliche Opfer zu beklagen hat. Besonders die Beklagung des eigenen Opfers findet in den Medien aktuell kaum statt, der Fokus richtet sich immer stark auf die Ambivalenz eines Täters. Beispiele für den Wolf als Feind des Menschen gibt es, aber sie sind überschaubar. Beispiele, wo Migranten Gewalt an Menschen ausgeübt haben, gibt es seit dem Kölner Vorfall auf der Domplatte in 2016 medial dagegen sehr viele. Die Reaktion der Moralisten auf diese Taten ist einfach: Sie finden dafür externe Erklärungen, sprechen von Traumatisierungen, die entschuldbar sind oder kulturellen Missverständnissen. In jedem Falle wird die Aussage, dass der Migrant selbst ein Krimineller ist, so nicht fallen. Sie wird abgelehnt, weil sie die Etikettierung des Opfers als ein Opfer selbst gefährdet – denn ein echter Krimineller für dann seinen Opferstatus verlieren, man hätte sich also für den oder die Falschen eingesetzt. Dieser Brückenschlag ist so nicht vorgesehen.

Die Bürger sind irritiert, wenn der Staat dann nicht seine Macht ausnutzt und der Untat Grenzen setzt. Es kommt zu einem Ohnmachtsgefühl, wenn Taten wie die auf der Domplatte nicht nur nicht verfolgt werden, sondern sogar bewußt verschwiegen werden. Denn dass der Migrant kein Opfer, sondern ein Täter ist, ist einfach nicht hilfreich. So war es eine große Kraftanstrengung, bestimmte Medien überhaupt dahin zu bringen, die Täter mit Herkunft zu benennen. Kaum ein Essay hat diese Situation so stringent analysiert wie “Die Macht der Minderheit” von Professor Dr. Peter Graf Kielmansegg.

“Hat die Ohnmachtsempfindung möglicherweise etwas mit der Wahrnehmung zu tun, dass Minderheiten, denen man sich nicht zugehörig fühlt, die Politik in einem irritierenden Maße dominieren – und dies nicht nur in Deutschland?”

Kielmannsegg erkennt, dass eine Minderheit in bestimmten Bereichen der Gesellschaft eine beherrschende Stellung eingenommen hat. Es sind nicht irgendwelche Bereiche, es sind die Echokammern der Gesellschaft, die am stärksten den Diskurs prägen. Und er benennt diese Zentren ziemlich genau mit Ihren Beteiligten: Es ist die grüne Partei, es ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, es ist die evangelische Kirche und natürlich sind es die Hochschulen. Es sind offensichtlich nicht Mehrheitsbereiche, sondern Räume, deren Zugang Minderheiten möglich ist. Die evangelische Kirche ist auch ein Beispiel dafür, wie angeschlagen diese Elite auch ist, sie ist nicht unumwunden mächtig bspw. im ökonomischen Sinne. Aber sie ist sehr wirkmächtig im Diskurs der Gesellschaft. In den Echokammern wird ein stringenter Kurs gepflegt, der auf moralischen Kodizes aufgebaut unsere Gesellschaft versucht zu prägen. Genauso wie es Echokammern sind, sind es auch Filterblasen. Jeder, der Zeit in diesen Räumen und Blasen verbringt, unterläuft einer denkerischen Prägung, wo er bestimmte Botschaften gleich einer Gehirnwäsche immer wieder erhält und auch von kontrastierenden Botschaften abgeschirmt wird. Er ist teils geradezu scharfer Propaganda ausgesetzt, die ihm die Einwände des Feinddiskurses gleich mitliefert. Und es wird schnell klar, dass ein Abweichen von diesem moralisch ausgeprägten Kodex Konsequenzen hat. Diese werden immer sehr sozial geführt, es kommt zu einer klassischen Ausgrenzung. Menschen mit geringen sozialen Bindungen und Hörigkeit zu Autoritäten befinden sich in einer Falle, aus der sie kaum entfliehen dürften. Freie Menschen, die auch zudem unabhängig sind wiederum werden sehr irritiert sein, wenn Ihnen immer wieder mit Ausgrenzung gedroht wird – es ficht diese Menschen eher nicht an.

Besonderer Teil dieser moralischen Tugendlehre ist die Dogmatik und der Mythos dieser besonderen Theologie, die unsere Politik beherrscht. Man könnte ihn subsummieren mit “Die Natur ist gut und das Atom ist gefährlich”. So ist der Mythos irgendwie Naturromantisch und verklärend, er ist antitechnologisch und fortschrittsskeptisch bis feindlich. Wo der Schutzgedanke der Natur im Kern konservativ ist, so wäre er nichts Neues: Das hatten wir ja schon, das begann irgendwann in der Romantik und wurde in allen möglichen Varianten im deutschen Wald immer wieder gespielt. Der Bruch der Romantik durch den Horror des Nationalsozialismus ist der Grundstein für die Bildung einer neuen Brücke. Diese Evolution ist gleichsam eine Heirat aus dem konservativen Naturschutzgedanken und dem zum Totalitarismus-neigenden Sozialismus. Beide Ideen waren bereits an Ihrem natürlichen Ende angelangt, aber vermählt zu einer theologischen Sekte erhalten beide Ideen ein neues Leben. Der Grundmythos ist hier dann eine Erweiterung der Genesis: Gott mag die Natur mal geschaffen haben, aber der Mensch ist nicht der Herrscher der Schöpfung, sondern Ihr Zerstörer. Als somit Schuldiger, gleichsam wie ein Aufseher in einem KZ, hat er die Schöpfung zerstört. Benutzen tut er hierfür die böse Technologie, bspw. das Atom oder andere Fortschritte der Naturwissenschaften (Chemie, Gentechnik, usw.), die den Fortschritt pervertieren und ebenfalls Schöpfungszerstörend sind. Wie in der Vergangenheitsbewältigung der NS-Zeit ist die Ausgangssituation die von Schuldigen, die nun sich um die Opfer kümmern müssen – sie müssen Ihr Gewissen bereinigen, damit sie von Sünde freigewaschen werden. Das geht nun genauso durch den Bio-Garten ohne Pestizide wie durch Abbitte in patriarchalischen Strukturen. Das Ziel der Evolution ist das Windrad, eingebettet in einem etatistischen Gesamtsystem. Freiheit und Kapitalismus sind die Motoren der Zerstörung, ergo ist der starke Staat weise und verteilt die Ressourcen, im dramatischen Falle wie die belgische Kriegswirtschaft einer Monika Hermann (Degrowth). Der Untergang der Welt, auch Teil einer jeden religiösen Erzählung, steht bevor und nur wer Abbitte leistet, durch Elektroauto oder Windrad, hat eine Chance, dem Fegefeuer zu entkkommen. Dass ist die moralische Aufladung dieser Politik. Dabei ist nicht zu verschweigen, dass der Klimawandel realexistent ist. Er ist es, jedoch ist seine Bewältigung möglich und dies sollte uns nicht davon abhalten zu erkennen, dass einige dieser neuen Elite versuchen, durch Ihre Dogmatik Politik zu machen, die die Macht missbraucht und Schaden anrichtet.


Abbildung: Das Dilemma der CDU ist die Brandmauer, die Ihren moralischen Lösungsraum auf linke Koalitionen verengt. Rechte Orientierung wäre amoralisch.

Der Schutz für Opfer ist dabei von großer Vielfalt: Von Kolonialismus zu Patriarchalismus, Sexismus, Vegetarismus usw. gibt es überall Opfer zu finden und zu beklagen. Als ersten Schritt gilt es Täter anzuklagen und mit moralischer Schuld zu belasten. Das hat den großen Vorteil, dass moralische Schuld dramatischer ist als juristische Schuld: Wer moralisch verurteilt werden soll, der ist nie ganz frei von Schuld. Wer moralisch verurteilt, braucht Unterstützer, aber keine Gesetze, Fakten und Beweise. Die Gefahr ist offensichtlich, wir bewegen uns in einer Welt von Hexenprozessen, wo wir totalitär agieren, Denkverbote aussprechen und beständig neue, aber immer echte Opfer produzieren. Dabei kann jeder mitmachen, weswegen Denunziantentum genauso en vogue ist wie das einfache hetzen am Wegesrand. Hauptsache laut klagen und verhetzen, irgendwann wird das Opfer brechen. Besonders komfortabel in dieser Ideologie ist, dass man nicht einmal das aktive Opfer benötigt. Vor Gericht muss ich noch selbst aussagen und Zeugnis abgeben, dass mir Unrecht widerfahren ist. In der Inquisition der Moral kann ich aber jederzeit für Dritte sprechen, die den Kläger dazu gar nicht beauftragt haben. Das bietet uns eine Erhöhung der Chancen auf noch mehr Hexenjagd, jeder kann mitmachen und mögliche Ziele sind zahlreich. Jeder der sich exponiert und dem Diskurs der Elite widerspricht, ist ein potentielles Opfer dieser besonderen “Wokeness”. Erstaunlich ist, dass sie überall dort zu grünen scheint, wo es Täterschaft gab: In Deutschland ist es das Erbe der NS-Zeit. In den USA ist es Sklaverei und Rassismus, in England ist es der Kolonialismus. Überall gibt es reichlich Opfer und doch ist erstaunlich, dass die Wortführer selten die Opfer sind. So stehen sicher nicht die Juden als die wahren Opfer auf der Bank der Ankläger, wenn es um Verbrechen der Wokeness geht. Auch in den USA sind an linken Elite-Unis die Kläger selten farbig, sondern gerne mal weiße Frauen. Das zeigt nur, wie offen dieser Trend der Wokeness für Teilnehmer ist. Sie müssen keine Randgruppe sein, sie müssen weder schwul noch Trans sein, es reicht, wenn Sie Anwalt für diese Menschen werden (auch wenn diese es nicht einmal wollen!).

“Die Macht von Minderheiten kann in demokratisch verfassten politischen Ordnungen sehr unterschiedliche Quellen haben – Geld, Sachverstand, Ansehen, Zugang zur Öffentlichkeit, eine leicht mobilisierbare Gefolgschaft, die Möglichkeit einer Leistungsverweigerung, die die Gesellschaft nicht lange erträgt.”

Der Schutz der Minderheiten in einer Gesellschaft ist besonders stark charakteristisch für eine Demokratie. Erstaunlich ist, dass unsere Minderheit (bspw. die Grünen, die mal grad 10%, im besten Falle 20% der Wähler mobilisieren) nicht nur über besonderen Schutz verfügt, sondern, wie Kielmannsegg sagt, über Gestaltungsmacht verfügt. Das liegt u.a. darin begründet, dass die Grünen im Parteiensystem eine Sonderstellung einnehmen. Da sie für jede Partei eine Koalitionsoption bieten, ist Macht mit Ihnen gemeinsam quasi immer möglich. Die FDP mobilisiert nur wenige Wähler wie auch Linke oder andere Parteien, weswegen die Grünen eine unerhörte Aufmersamkeit bei den Altparteien CDU und SPD erfahren. Sie sind die vitale, junge Kraft, die eine neue Machtoption bietet. Während CDUler sich eher in den konservativen Naturschutz vergucken lernen, liebäugeln Sozialdemokraten dann lieber mit den autoritären Staatsideen, wie Klimaschutz denn sozialökologisch umzusetzen sei. Die AfD ist aktuell ausgegrenzt, sie zwar die eigentliche neue Kraft, aber sie wird effektiv durch den moralischen Kodex ausgegrenzt: Die AfD ist eine Nazi-Partei (sagt unisono Hendrik Wüst von der CDU oder Ricarda Lang), also eine Täterpartei. Wir, die Grünen, schützen die Opfer und Ihr alle, auch die Altparteien, habt aus der Geschichte gelernt. Deswegen wollt auch Ihr nicht mit Tätern kooperieren. Dieser Schuldkomplex in den Altparteien ist so verhaftet, dass niemand die Behauptung, die AfD sei eine Nazi-Partei streng prüft. So ist die AfD eigentlich keine Nazi-Partei, denn dann wäre sie natürlich verboten. Sie sitzt im Bundestag und Landtagen, ihre Mitglieder wiederum sind bunt und Ihre Vertreter ebenso. Während man gesichert die Rhethorik von Björn Höcke als eine Copy-Paste-Rhethorik von Josef Goebbels nennen darf, steht sonst eigentlich nie ein einziges Parteimitglied für die ganze Partei. So hat Sarah Wagenknecht in der PDS/Linken immer wieder totalitär-stalinistische Weltsichten verkündet, die wohl kaum auf dem Boden gelungener Vergangenheitsbewältigung stehen. Aber niemand hat gefordert, die PDS zu verbieten, weil Sarah Wagenknecht ein Stalin-Poster über dem Bett hatte. Das ist auch wirklich egal, entscheidend ist, dass die CDU und die SPD die Ausgrenzung bereits akzeptiert haben. Genauso haben die Medien es getan, der ÖRR grenzt die AfD deart aus, damit es auch gar nicht zu Zweifeln kommen könnte. Am Ende bleibt also der CDU wie der SPD, programmatische Unterschiede hin oder her, nur die Grünen als eine sichere Machtoption. Das ist die sogenannte “Schlüsselstellung der Grünen” bei Kielmannsegg, die auch Werner Patzelt immer wieder in Interviews in ähnlicher Form dargestellt hat.

“Wie lässt sich die unserer inzwischen weltweit vorherrschenden Zivilisation eigene Dynamik der Naturzerstörung aufhalten? Mit dieser Frage ist sie in einem elementaren Sinn auf der Höhe der Zeit.”

Die Grünen schwimmen im Zeitgeist. Wo eine Frage ist, eine skeptische Frage im Zeitgeist, wäre auch eine optimistische möglich: Durch Technologie und Innovation werden wir unseren Planeten retten. Oder gar wir werden neue Planeten besiedeln! Der Grüne Geist ist eher ängstlich und ist besorgt, er traut den Instrumenten der Moderne nicht. Er weicht auf Globuli aus und er sieht in der Ernte von Buchweizen bei Mondschein eine Chance, seine Verdauungsprobleme zu heilen. Wer natürlich eigentlich dem Kapitalismus an den Kragen will, wer gegen die Effektivität des Marktes die große Fehlbarkeit des Staates setzt, der ist sicher kein Vertreter der Mehrheit in diesem Land. Aber er gewinnt Sympathien, denn Zweifel über den Sinn von System und Welt im Ganzen sind immer angebracht und bei den Deutschen seit jeher in Mode.

Zurück zum Wolf, zurück zur Migration!

Sie erinnern sich, dass wir von der Metapher sprachen, wie mit zu vielen Wölfen zu verfahren ist, die eine Gefahr darstellen. Migranten sind nicht gefährlich, dieser Vergleich ist falsch. Aber sie müssen in der Gesellschaft integriert werden. Und hier gibt es Grenzen, wo Regulierung und Kontrolle unabwendbar ist. Bei der Migration gibt es bei den Gegnern die sog. Rettungsboot-Metapher. Wenn ein Schiff mit vielen Passagieren sinkt, so strömen Menschen auf die Rettungsboote. Doch es gibt zuviele Passagiere und zu wenige Rettungsboote – dann ist es der Untergang der Titanic. Warum aber heißt es “Kinder und Frauen zuerst!”, wenn es zu wenige Rettungsboote gibt? Gerade in einer Zeit der Gleichheit werden Frauen weiterhin bevorzugt? Es hat damit zu tun, dass die Spezies selbst überleben muß. Das Männer aus eigener Kraft besser überleben können. Dass wir uns selbst die besten Chancen einräumen wollen, um zu überleben, gegen andere, wenn die fruchtbaren Frauen überleben. Weil wir alle nicht retten können, sollen möglichst die überleben, die uns in Zukunft retten werden. Und diejenigen, die es selbst schaffen können, denen fordern wir dass ab. Manche Menschen ertragen nicht, dass wir einige zurückweisen müssen in der Rettungsbootsituation. Sie sagen Ihr Herz sei weit und es werde sich immer ein Platz finden in unserem großen Land. Sie weigern sich überhaupt das Denkmuster des Rettungsbootes zu benutzen, obwohl aber auch jedes System nur bestimmte integrative Leistungen erbringen kann. Das ist erstaunlich, denn während Russland oder die USA wahre Flächenländer sind, sind wir ja schon immer dicht besiedelt gewesen. Das Konfliktpotential bei Einwanderung ist also schon von den Voraussetzungen her anders, hier geht es um gesellschaftliche Normen, um Integration in ein politisches und ökonomisches System, um kulturelle Präferenzen, um Geschlechterpolitik und vieles mehr. Wenn heute Menschen Angst haben, dass zuviele kommen aus Ländern, mit denen der gemeinsam Nenner gesellschaftlicher Vorstellungen niedrig ist, sprechen Sie auch von der Angst um sich selbst.

Wenn die Fremden kommen, wo ist dann mein Platz in der Gesellschaft? Warum haben sie gleich gleiche Rechte, bekommen Bürgergeld ohne Wartezeit und ohne Druck, sich eine Beschäftigung zu suchen? Warum vernachlässigt Ihr dann mich? Heute nennen einige Eltern Ihr Rettungsboot die eigene Schulklasse der Kinder und dort finden sich teils mehr Migranten vor als “Biodeutsche” Kinder, die Deutsch als Muttersprache gelernt haben und hier seit der Geburt aufwuchsen. Die Eltern haben dann schlicht Angst, Ihr Kind geht im Bildungswettbewerb früh unter, mindert durch eine ungünstige Umgebung seine Chancen auf Entwicklung und Wohlgedeihen. Dies wird von Menschen, die nur die Vorteile der Immigration sehen, verneint, sie sind fröhlich über die “bunte Gesellschaft”. Die Frage hier wäre natürlich, wass denn für eine Gesellschaft sinnvoll ist? Kulturelle Vermischung, Adaption und Evolution, das gehört zu einer vitalen Gesellschaft hinzu. Eine Gesellschaft, die sich abschottet (sagen wir mal Nordkorea als Extrembeispiel) verkümmert zum Gefängnis. Aber auch das Gegenteil ist nicht folgenlos: Zuviel Immigration ist nicht ingretationsfähig (siehe Frankreich nach Ende des Algerienkrieges) und diese zunehmend hohe Belastung droht das Rettungsboot kentern zu lassen. Wann ist also das Boot voll, dies ist keine rein abstrakte Frage, es gibt Konsequenzen, die man mit Güte und Herz ertragen kann und es gibt Situationen, in denen unsere Hilfsbereitschaft sich dreht und etwas zerstörendes sich in uns selbst breit macht. Im politischen Leben finden wir die gleichen Diskussionen. Doch wir ahnen es: Wie in der Diskussion um den Wolf und Naturschutz steht uns die Ideologie für eine echte Debatte im Weg. Wo doch überall Opfer sind, wie können wir diese dann abweisen? Denn das macht uns ja zu….Tätern. Also ist die Diskussion des Themas, ob Wolf oder Migration, schon eine aufgeladene Konstellation.

Spätestens hier ist klar, warum die grüne Ideologie an den Realitäten scheitern muss: Sie funktioniert nur in einer bewußten Verweigerungshaltung, wenn sie ihre Isolationshaltung durch Ablass gesponsert wird. Es kann auch im christlichen Weltbild nicht immer nur um Schuld, Opfer und Täter gehen. Sondern um weniger Moral, es reicht eigentlich erstmal immer Menschlichkeit. Humanität kennt Grenzen, wenn der Mensch sich selbst gefährdet. Er darf Hilfe und Unterstützung nicht mit Sozialismus verwechseln, denn dieser kennt immer nur offene Arme und Teilung, es ist ebenfalls eine Opferideologie.


Abbildung: Die letze Generation macht aus dem Symbol der Wiedervereinigung ein Symbol der Spaltung.

Was heute der grüne Gedanke, dass war über Jahrhunderte die Theologie, das Christentum. Die Anmutung selbst ist die einer typischen Opfertheologie, insbesondere so wie sie katholische Kirchen und evangelische Kirche instrumentalisiert haben. Sie lesen den Satz Christi “Liebe Deinen Nächsten” ohne den entscheidenden Zusatz “wie Dich selbst!”. Christis Heilslehre ist die der Erlösung, nicht der Opfer und der Schuldigen. Jesus ist gestorben, weil er sich selbst am Kreuz geopfert hat. Für Gott, damit wir von unserer Schuld erlöst werden. Unser Auftrag ist, unsere Seele rein zu halten und sie zu pflegen, den inneren Tempel zu schmücken statt den der Äußerlichkeiten. Sich deswegen laufend Schuld und Opfertum einreden zu lassen, wo es gar keine gibt, das hat das Christentum nicht gepredigt. Aber dass hat es missbraucht, um Ablass einzusammeln von den Sünden. Somit ist es nur folgerichtig, dass ausgerechnet die evangelische Kirche mit der Naturreligion der Grünen verbunden ist. “Mach Dir die Erde untertan!” ist Gottes Diktum, nicht lösche die Menschheit aus, damit die Natur sie überdauert. Doch heute reden Laien vom Vorrang des Schutzes der Schöpfung als wenn sie die einzigen währen, die daran ein Interesse hätten, die Lebensgrundlagen zu bewahren.

Vielleicht sind schlicht beide vom richtigen Pfad des Menschseins abgekommen und Opfer der Umstände. Wie weit darf dieser gehen und gibt es Momente, in denen einige dieser Naturschützer der Kreatur mehr Schutz einräumen als dem Nutztier oder gar dem Mensch? Das ist keine theoretische Diskussion, denn es gibt einen national-konservativen Strang in den Umweltschützern, der teils wirklich über die Grenzen des Menschlichen geht, weil er im Mensch und seinem Angriff auf die Natur ein größeres Feindbild erkennt. Das ist auch in der Anti-AKW Diskussion immer wieder ein Teil der Diskussion, dort ging es radikalen Naturschützern am Beginn der 1970er Jahre um die Verhinderung von Quellen billiger Energie (das sollte die Atomkraft vor allem sein). Die Verfügbarkeit billiger Energie hätte nämlich das Potential, die Menschheit weiter zu vergrößern, was zum Verlust weiterer Naturlandschaft führen würde. Hier ist die Ideologie durchweg Antihuman und misanthropisch. In der deutschen Anti-AKW Bewegung fanden sich auch solche Tendenzen, aber vorrangig war hier das Kapitel der NS-Vergangenheitsbewältigung: Die Angst vor der Wiederholung von Täterschaft mit Technologie (Radioaktivität, obwohl natürlich, war wie ein Pendant zu Zyklon B) zieht einen Schutzfilm über Minderheiten, der diese teils zu geschützten Tätern machen kann. Die Bewegung hat sich verrannt und den Nutzen von Technologie, die per se immer neutral ist, sondern nur in den Händen Ihrer Gesellschaft instrumentalisiert wird (für Gutes wie Schlechtes), schlichtweg verkannt. Es ist als wenn Prometheus das Feuer den Menschen schenkt und diese das Feuer in den Abgrund werfen, weil sie es nicht verstehen.

Der Wolf ist rein. Er tut dass, was er braucht, was er muß. Ihn treiben Instinkte und Triebe. Der Mensch ist verworren, voller Komplexe und Hemmnisse. Den Wolf einzuhegen, ihn zu regulieren, das wird dem Menschen wieder klarmachen, was Gott ihm aufgetragen hat: “Mach Dir die Erde untertan! Und liebe Deine Nächsten wie Dich selbst.” Dann mußt Du keinen Wolf unnötig töten. Und Du mußt auch keinen Menschen ohne Grund abweisen, der Deinen Schutz nicht auch verdient hat. Denn wenn sie selbst Christ sind, werden sie die Zeile im Neuen Testament nicht finden, die lautet: “Bewirte selbstlos Deinen Nachbarn, der arm ist, damit er weniger Last hast und Du erleichtert bist.” Nein, das steht dort nicht – aber dass Du die Tore weit und das Herz offen machst, wenn Dein Nachbar zum Opfer wird, das steht dort. Nur: Nicht alle, die kommen, sind Opfer. Das muß in unserer Diskussion einfach gesagt werden, alles andere wäre unehrlich.


Abbildung: Ulrike Meinhof steht sinnbildlich für alle Menschen, die im Kampf für Gerechtigkeit irgendwann das Maß verloren haben.

Ein junger Wolf ist auf dem Weg zu uns

Wenn gesellschaftliche Verhältnisse herrschen, in denen die Lüge genauso wabert wie die Verdrängung, entsteht die Notwendigkeit einer Zeitenwende. Was für die 68er der Dämon der eigenen Eltern war, die Täter zur NS Zeit waren oder diese Taten aus kindlicher Sicht der Anklage zumindest zuschauten. Es war das gleiche Unwesen, dass der Imperialismus und Kapitalismus der USA an Schäden anrichtete – in besonderer Weise gerade in Vietnam. Und die Regierung der BRD kollaborierte für die 68er mit den USA. All das löste Unzufriedenheit und Wut aus. Dass die sozialen Ungerechtigkeiten erneut nicht adressiert wurden, dass es Opfer gab (in Vietnam), dass aber die Täter weiter lebten und die unerträgliche Schuld mit sich trugen, dass war der Boden für Proteste. Proteste, die die Terroristen der RAF in einem Sog radikaler Ideologie zu blindwütigen Killern werden ließ. Es waren die Kinder des besseren Bürgertums wie Ulrike Meinhof oder Gudrun Ensslin, die Anführer dieser Bewegung wurden und dann glaubten, im Namen einer neuen Gerechtigkeit Menschen ins Volksgefängnis zu werfen und zu morden. Der Gipfel: Der deutsche Herbst.

Heute sammelt sich ein neues Becken des Protests, das Bürgertum sendet seine Kinder in die Klimabewegung. Vor allem Frauen sollen nun Gerechtigkeit erkämpfen. Luisa Neubauer, Carla Hinrichs oder Carla Reemtsma heißen sie dann. Sie kommen aus reichen Familien, deren Geschichte mit den Verbrechen des Nationalsozialismus (Reemtsma) genauso wie den 68ern verwoben ist. Die Kinder der Jahrtausendwende spüren wieder, dass Sie aus einer Revanche für Ungerechtigkeit starten, sie müssen Auschwitz auf den Kopf stellen (Wolfgang Herles). Der moralische Impetus kommt aus der Vergangenheit und er stellt einen Machtanspruch. Egal, ob Täter oder Opferideologie, jeder Machtanspruch begründet sich anders, aber er ist ein Machtanspruch. Die Klimabewegung will zunächst eine Änderung im Denken und dann im Verhalten der Menschen ändern, danach folgen Schwurbeleien, die den 68ern folgen: Von fossiler Industrie, die unsere Leben zerstört, vom fossilem Kapital und der Auslöschung der Menschheit wird dann etwas fabuliert, was entsetzen und zum Umkehren auffordern soll.

Auch die 68er kannten den Protest, nun geht es in erster Linie um den Verkehr und keine Torten ins Gesicht. Bislang auch, das ist der heutige Stand, keine Morde und keine Entführung. Und dennoch sind die Worte schon die gleichen. Als Aktivisten das Brandenburger Tor mit orangener Farbe besprühten, ging es in Ihrer Verteidigung um den Schutz vor dem imaginierten Weltuntergang durch den Klimawandel. Gudrun Ensslin verteidigte sich im sog. Kaufhausbrand mit der Aussage, sie habe mit dem Brand eine Anklage für die Opfer des Vietnamkrieges führen wollen. Es war also ein sehr indirekter Grund, der für niemanden beteiligten evident war. Es war ein Protest, der zunehmend zynisch wirkte. Symbolisch soll der Anschlag, bei dem die RAF Konsumismus sprichwörtlich im Kaufhaus attackieren wollte (und damit wieder den Imperialismus und Kapitalismus attackierte) anklagen. Heute soll der Klimawandel als Ergebnis des kapitalistischen Lebens und seiner Industrie erneut angeklagt werden. Ob und wann der Protest in die absolute Radikalität umschlägt, bleibt abzuwarten. Es liegt auch daran, ob der Staat eine ordentliche Debatte über die zugrundeliegenden Phänomene wie den Klimawandel oder andere Themen wie die Migration überhaupt erlaubt.

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