Die Sphinx aus Templin (A.M. 1992)

Sphinx aus Templin (A.M. 1992)

Ich las vor Tagen einen Artikel über Angela Merkel von George Packer im New Yorker. Er behandelte Merkels Aufstieg und die Deutschen, was Ihr Erfolg auch über uns alle sagt. Die Aussensicht hat mich in Ihrer Klarheit und Weite tief beeindruckt. Offensichtlich hatte ich bereits begonnen, mein Bild von ihr in den Jahren Ihrer Kanzlerschaft mit derlei vielen Assoziationen und Medienbildern zuzukleistern, dass ich nicht merkte, dass ich Ihrem öffentlichen Bild vollkommen aufgesessen war. Dass hinter Ihrer Maske bzw. der von Ihr erfundenen öffentlichen Person ein anderer Mensch stecken könnte, dass sie mich bereits manipuliert hat. Und dass sie weder “Mutti” noch “Angie” ist. Ein Mensch, der so gute Machtinstikte hat und so gut Emotionen verbergen kann, dass ich sogar Ehrfurcht bis Angst empfand. Die Frau pokert, sie wartet auf Deinen Gefühlsausbruch und weiss dann, wie sie Dich packen kann.

Gut, dass ich weder in die Politik gehe noch Ihren Weg sonstwo kreuze, ich möchte ihr nicht “in die Quere” kommen – wer sie allerdings hinter der Maske ganz privat ist, werde ich wohl nie erfahren. Vielleicht gut so, sie ist vor allem Funktionsträger, Bundeskanzlerin und unumschränkte Verwalterin der Demokratie, in der ich und meine Familie lebe. Und sie zeigt, wie unsere Demokratie, unser System funktioniert, die diese Machtmenschen brauchen. Sie administrieren Macht, sie lassen Veränderung geschehen, sie halten Veränderung auf und erzeugen doch selbst….nichts. Doch unser Bild ist, dass die Führerin nicht nur lenkt, sie erzeugt unseren Staat mit allen Regeln quasi auf Ihrem Schreibtisch- dabei steht sie doch nur diesem Apparat vor, in dem Kreativität und Produktion stets woanders erzeugt wird.

Nach den Fotos von Herlinde Koerbel, ihre faszinierendes Langzeitstudie “Spuren der Macht”, die eine scheue bis kühle Mittdreissigerin zeigen, habe ich mit Kohle, Aquarell und Gouache etwas rumgemalt und sie auf meine Art und Weise als Frau in meinem Alter porträtiert.

Sie war damals noch sehr schlank, ganz wissenschaftlicher Nerd, Schlabberlook, nicht so selbstbewusst, dennoch stark und wenig zweifelnd, nicht gestyled oder gar “Typberaten”, weniger zufrieden und gesättigt wie die heutige “Mächtigste Frau der Welt”. Sie ist auf Fotos heute auch scheinbar zufriedener, vielleicht weil sie Ihre Ziele , mitunter ruchlos und kühl, in vielerlei Umfang erreicht hat; manchmal gar Vergeltung als Ziel hatte, dann schlicht Lust und Drang zur Macht, wie man ihn nur von Männern zu kennen glaubte. Wie sie öffentlich in der FAZ zum Mord des Idols Kohl aufrief und Kohl kühl abservierte, war ihr Meisterstück – und doch Königsmord. Kein Zufall noch Wunder, dass Merkel im Dienstzimmer der Kanzlerin ein Porträt von Katharina der Grossen hängen hat. Diese Menschen solch hoher Funktion sind natürlich Machtbewusst, ihnen fällt eine Steuerungsfunktion nicht nur symbolisch zu. Sie befördern Karrieren, beenden sie. Sie sind Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen, sie sind aber nicht der Grund dafür. Sie erzeugen und manipulieren das Bild Ihrer Person derart, dass sie wählbar sind und Zuspruch erhalten. Sie sind ohne Öffentlichkeit, ohne Wettbewerber in der Nähe, vielleicht wenig berechnend, aber wohl auch dort nicht frei von Machtgedanken. Sind Diese Machtinstikte Ausdruck eines Ersatzbedürfnisses? Einer Kompensation von erlebter Machtlosogkeit? Ein Nachahmen der Macht der Eltern oder des Staates, in dem man aufwuchs? Warum wurde Merkel Politikerin, warum keine Karriere bspw. als Leiterin eines Forschungsverbundes? Was hat sie so magisch angezogen und gelenkt, dass sie genau dort war, wo es Veränderung und Macht gab? Viele Fragen bleiben offen, sicher noch weit nach Ende Ihrer Kanzlerschaft, die aktuell, Krise hin oder her, keinen fähigen Gegner hat.

Sphinx aus Templin (A.M. 1992)

Sphinx aus Templin (A.M. 1992)

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