Der alte Ogilvy-Chef Rory Sutherland bemerkte ein ökonomisches Paradox (Instagram-Video): Wer vor 100 Jahren einen einfachen Beruf hatte (sagen wir Postbote), kaufte sich in Fulham ein einfaches Reihenhaus. Das war ein Aufstieg zu einer Hinterhauswohnung, aber kein Palast. Ein Aufstieg, gerade so bezahlbar. Sie sehen dieses Haus abgebildet auf dieser Webseite.
2025 kostet dieses Reihenhaus 1,7m Pfund.
Ich entnahm es am 25. Mai 2025 auf einer Webseite der Maklerfirma Savills. Der Postbote wohnt schon lange nicht mehr in Fulham in diesem Haus. Aber es ist das gleiche Alte, recht bescheidene und für Architekten eher grässliche Reihenhaus. Geplegt, das schon, aber sehr bescheiden zu einem sehr hohen Preis. Es wird bald vermutlich von einem Banker aus dem Financial District bewohnt, der garantiert sechsstellig verdient. Und der sich selbst fragt, warum er mit seinem Einkommen so eine alte Bruchbude bewohnen muß, die so teuer war.
Sutherland bemerkte noch etwas anderes: Heute kann der Postbote trotzdem Konsumgüter für kleines Geld kaufen, die vor einhundert Jahren auch für reiche Menschen unerschwinglich waren. OLED-Fernseher, Roboterstaubsauger oder sonstiger Konsumgüter wurden im Verhältnis zur Kaufkraft günstiger. Wohnen wurde aber nur teurer, vorrangig in Großstädten.
Abbildung abgerufen von https://search.savills.com/de/de/detail/gbhahshah250078 am 25.05.2025
Wieso ist das ökonomisch bloß so?
Bei Immobilien ist die Lage weiterhin Wertfaktor No. 1. Flächen sind begrenzt. Baukosten sanken zudem nicht, denn der technische Fortschritt der Bauindustrie ist ein Witz verglichen bspw. mit der Elektronikindustrie. Der wirtschaftliche Wert des Reihenhauses in Fulham bemisst sich nicht nach den Steinen, Fenstern und Tapeten auf dem Grundstück. Die Lage ermöglicht einem seinen Beruf auszuüben (Pendeldistanz), der ein höheres Gehalt ermöglicht. Der Zuwachs an Gehalt, für den es eine höhere Bildung braucht, wird aufgefressen, weil man ein Grundstück erwerben muss, dass furchtbar teuer ist.
Das ist vor allem beim Zuzug ein Problem. Die Großstadt hat Kulturangebot, mehr Ärzte – das steigert den Wert gegenüber ländlichen Immobilien, die nur “Ihre Steine” wert sind.
Das Auseinanderklaffen von Immobilienpreisen und Durchschnittseinkommen ist kein Versagen des Marktes, sondern das Ergebnis struktureller Entwicklungen:
– Geringer technischer Fortschritt in der Bauindustrie
– Regulierte Knappheit trifft auf hohe Nachfrage
– staatliche Geldpolitik treibt Vermögenspreise
– Konsumgüter werden durch Technologie immer billiger
– Löhne stagnieren relativ zu Kapitalrenditen
Kurz, diese Entwicklung entspricht der ökonomischen Logik, die für Immobilien typisch ist und ihren Wert erhält.
Allerdings muß sich jeder selbst fragen, ob er eine siebenstellige Wette auf eine Immobilie abgeben will und welchen spekulativen Anteil er vertreten kann. Hohe Einstiegskosten erzwingen Alternativen: Sein Vermögen in Aktien zu investieren und zu mieten, damit die “Asset Price Inflation” einen nicht ärmer zurücklässt. Große Häuser zu mieten ist i.d.R. günstiger als kleine Wohnungen zu mieten.
Der Vermögenszuwachs von Hauserben oder Erben alter Mietverträge darf dagegen zu recht als ungerecht empfunden werden.