Seit Cicero & Nius das Gutachten publizierten, welches die Einschätzung des BfV für die AfD als “gesichert rechtsextrem” begründen sollte, kann ein jeder Hans & Franz sich selbst ein Urteil bilden. Ist die AfD so gefährlich für unsere Verfassung, dass man sie verbieten muß?
Mein erstes Fazit: Nein. Der Bericht erscheint als dünne Suppe auf 1105 Seiten. Unappetitlichkeiten, Tabubrüche und strafbare Einzelfälle (Rassismus), aber kaum Indizien für geheime Komplotte gegen die Demokratie.
Dass das Gutachten geheim war, dürfte eine Schutzbehauptung gewesen sein: Nichts, was das BfV präsentiert, war geheim. Ein Sammelsurium von Zitaten und Versatzstücken, öffentliche Wahlkampfreden. Kein geheime Quellen, keine V-Leute.
Sollte das Gutachten vor Kritik geschützt werden?
Beim oberflächlichen Lesen erstaunen Passagen. So fand sich bspw. unter Hashtag#Antisemitismus eine umfassende Entlastung. Das dürfte in anderen Parteien (Die Linke) nicht so ohne weiteres möglich sein. Geht es um Gebrauch von NS-Vokabular, entsteht ein differenzierteres Bild:
In der AfD ist nicht der Hitler-Gruß Gang und Gäbe, aber man nutzt Vokabular zur Diffamierung des politischen Gegners. So wird bspw. die grüne Göring-Eckardt als “Reichsmarschall-Eckardt” diffamiert. Das ist NS-Topos, gleichsam bewertet man die Person eindeutig negativ. Geschmacklos, aber nicht faschistisch.
Wenn es darum geht, NS-Brauchtum zu belegen, zitiert das Gutachten Einzelfälle. Das ist relevant, da 2025 die Mitgliederzahl >52.000 liegt. Echte Nazis a la Hashtag#Filbinger hatte man auch in der CDU, aber die sie sind tot. Neonazis prägen die Partei nicht so stark, wie man dachte.
Abbildung: Auszug aus dem Gutachten mit eigenen Markierungen
Unter Pressefreiheit wird’s peinlich. Die Zitate vom BfV belegen, dass die AfD die etablierten Medien deswegen abwertet, weil sie die Partei stigmatisieren. Aber wer wollte dem (siehe ÖRR) widersprechen? Belege, die Pressefreiheit abschaffen zu wollen, bleibt der BfV schuldig. Auweia.
Hashtag#Demokratieprinzip: Hier rügt das BfV die Versuche, die Regierung zu kritisieren, weil diese bspw. auf den Datenverkehr Einfluss nimmt (#DSA). Ist durch die Kritik nicht eher ein Demokratiedefizit der Regierung deutlich geworden (s. Buch J. Steinhöfel)?
Sicher ist, die AfD ist stramm muslimkritisch. Begriffe wie “Messermänner” stigmatisieren, sind aber auch belegbar. Äußerungen aus der CDU/CSU (insbesondere nach 9/11) dürften kaum weniger muslimophob gewesen sein (Meinungsfreiheit?).
In großer Menge: Maßlose Vergleiche und ungehobelter Sprachgebrauch, der von den Oppostionsbänken geäußert wird. Ein Komplott, nachdem die AfD den Umsturz plante, lässt sich nur konstruieren. Kritik an der Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus (Hashtag#Schuldkult) muss man kritisieren, aber dies gleich als kämpferischen Versuch zur Abschaffung der Verfassung zu interpretieren, ist mutig.
P.S. Ein Beleg soll der Slogan “Alice für Deutschland!” sein. Really?
Fazit: Rechtsradikal. Maybe. Verfassungswidrig in Teilen ja und somit lässt sich vor dem Verwaltungsgericht das Gutachten und seine Einschätzung vielleicht rechtfertigen.
Aber ein Parteienverbot? So sicher nicht.