Elon Musk und die Diesel Gang

Für Elon Musk könnte es nicht besser laufen: Am Freitag lieferte er wie versprochen das Model 3 von Tesla an die ersten Kunden aus. Ein kompromißloses Elektrofahrzeug für 35.000 Dollar aufwärts. Kein Plugin-Hybrid, keine modifzierter Diesel mit Startgenerator (ISG) oder sonstige Lösungen, die irgendwie noch an der alten Verbrennertechnologie haften. Kann jemals ein Autohersteller nachweislich erfolgreicher sein, wenn er schon vor den ersten Tests oder Probefahrten über 500.000 Bestellungen verbuchen kann? Dass man bei Tesla groß denkt, zeigt die gigantische Giga-Factory in Nevada. Auf bis zu vier Quadratkilometern Nutzfläche sollen über 35 Gwh an Batterkapazität pro Jahr hergestellt werden. Keine Vision ist das, große Teile dieser riesigen Batteriefabrik sind schon in Betrieb. Das Tempo dieses geradezu jungfräulichen Autoherstellers ist aberwitzig, wenn man die Zyklen der “klassischen Autoindustrie” zum Vergleich nimmt. Clever nutze Tesla bestehende Plattformen beim ersten Fahrzeug (Lotus Elise beim Model 1, dem Roadster), kaufte eine leer stehende Fabrik von Toyota und kaufte Teile wie Fensterheber oder andere eher unbedeutende Teile von anderen Autoherstellern zu. Einige Autohersteller waren derart fasziniert, dass sie wie Daimler Anteilseigner wurden, um Zugang zu neuer Technologie und dem Spirit der Firma zu bekommen. Was Musk anfasst, ist neu, ist spannend und sexy.

Wie anders sieht es aber bei den klassischen Produzenten aus, namentlich der deutschen Autoindustrie als: Verwickelt in ein möglicherweise gigantisches Kartellverfahren, welches schon im Lkw-Bereich Milliarden an Kartellstrafen kostete, im Image allgemein beschädigt durch VWs und Audis kriminelle Manipulationen von Abgastests. Der Diesel als milliardenteure Vorzeigetechnologie steht mehr oder weniger vor seinem Aus. Vorher noch gelobt für seine klimafreundliche CO2 Bilanz, wird nun dem Verbraucher klar, wie gesundheitlich bedenklich Feinstäube gerade aus Dieselmotoren denn sind. Städte wie Stuttgart drohen Fahrverbote für Diesel verhängen zu müssen, um die Stickoxidgrenzwerte einhalten zu können. In den USA, in denen gesundheitliche Bedenken schon immer wichtiger war als die Diskussion um den Klimawandel, war der Diesel nie populär und wird es auch nicht mehr. Wie schnell sich Zeiten ändern: Vor kurzem noch ritt die Industrie auf einer Erfolgswelle, setzte neue Umsatzbestmarken und lieferte auch ordentliche Gewinne bei den Aktionären ab. In Deutschland sind immer noch viele gutbezahlte Jobs von der Autoindustrie abhängig und sichern die Machtverhältnisse in Politik und Gewerkschaften. Dies alles droht nun schneller ins Wanken zu geraten, als man sich hat ausmalen können. Es ist auch ein Lehrstück darüber, wie der unternehmerische Spirit in Technologieunternehmen des Silicon Valley mit maximalem Tempo und Risiko auf das statisch inkrementelle Risikovermeidungsdenken der deutschen Autoindustrie trifft. In Deutschland sind klassische Unternehmer wie Werner von Siemens, Gottlieb Daimler oder Ferdinand Porsche schon längst nicht mehr federführend bei der Gestaltung und Planung der deutschen Industrie, sondern die Verwaltung dieser Großstrukturen liegt in der Hand technokratischer Manager. Diese tun, was ihn aufgetragen ist und versuchen Ihre Stammprodukte immer mehr zu perfektionieren. Für das Zeitalter alternativer Antriebe zeigt man sich gewappnet, wenn die Nachfrage es hergeben würde, dann würde man schon liefern können. Doch dieser Punkt ist folgenreicher als gedacht, denn er zeugt von einem eher taktischen Denken der Autoindustrie. Dieses Rezept trug schon im Elektronikmarkt keine Früchte, als Apple vor Jahren die ebenso taktisch agierenden und marktbeherrschenden Mobilfunkhersteller in aberwitzigem Tempo von der Bildfläche wischte. Der deutsche Kleinaktionär aber versteht die Welt nicht: Wie kann es denn sein, dass eine Industrie mit so tollen Produkten und soviel Gewinn so derart schlecht bewertet wird? Nun, der Kapitalmarkt bewertet eben die Zukunft genauso wie die Gegenwart und für die Zukunft erkennt der Markt da keine Perspektiven, die gewaltiges Wachstum versprechen könnten.

Die deutsche Industrie übt sich so in Abwehrstrategien: Tesla sei ja ein bemerkenswerter Erfolg, aber letztlich doch ein Kleinsthersteller und zudem mache man dort keine Gewinne. Man beobachte dessen Treiben und unkte, wie Daimler Chef Zetsche, dass man selbst durch den Anteilsverkauf von Tesla-Aktien die einzige Firma sei, die je Geld mit Elektro verdient habe. Mit Studien will man belegen, dass man ja könnte, wenn die Aktionäre wollten. Doch eigentlich will wohl keiner so richtig, weder Aktionäre noch Aufsichtsräte und entsprechend irrlichternd tritt man öffentlich auch auf. Im Finanzkapitalismus des 21. Jahrhunderts aber muß einem doch Angst und Bang werden, wenn ein Newcomer einen größeren Börsenwert als man selbst in nur wenigen Jahren generiert und es quasi legitim ist, erstmal satte Verluste zu schreiben. Wichtiger in dieser Logik ist es, erst einmal einen ganzen Markt schnell zu besetzen, Nutzerzahlen zu erhöhen und die Pionierrolle einzunehmen. Innovativer oder “disruptiver” zu sein, das ist marktentscheidend, denn Wettbewerb ist dort eher was für reife Industrien (also Verlierer. Peter Thiel, einer der bekanntesten Risikoinvestoren, illustriert dieses Denken). Derart aggressives Kapital sucht aggressive Unternehmer und Elon Musk ist einer, der immer bereit ist volles Risiko zu fahren. Selbst jeden Cent des eigenen Vermögens verwettet er auf seine Firmen, leidenschaftlicher und schneller agierte im Valley vielleicht nur Steve Jobs, mit dem Musk schon in einem Atemzug genannt wird. Musk erfüllt die Phantasien vieler Jungs, die von Iron Man und Marsraketen träumen. Musk teilt diese Träume wie die Videospiele, die er begeistert spielt, mit Ihnen und hat die Mittel und Möglichkeiten, diese Träume zu realisieren. Musk ist offensichtlich jemand, der seine Träume verwirklichen will und Geld spielt da nur die zweite Rolle. Besser könnten Gründergeschichten gar nicht sein und der Markt weiß: Ist die Gründung erstmal erfolgreich, finden sich schon genügend Manager, die den Saft aus der Zitrone quetschen werden und an die Optimierung gehen.

Diese Diskussion ist in Stuttgart oder sogar München, wo immerhin mit die Quandts als Mehrheitseigentümer einen klaren Kurs setzen könnten, eine ganz andere. In Wolfsburg, wo mit Ferdinand Piech ein Motorenmann durch und durch lange regierte, hat man nie viel vom Elektromotor gehalten. Dass Ein-Liter Auto sollte bezeugen, wozu der Diesel im Stande war. Und man pflegte vor allem einen Schmusekurs gegenüber Mitarbeitervertretern und Gewerkschaftern bis hin zur niedersächsischen Landesregierung, der noch heute für ein Interessengeflecht sorgt, dass radikale Änderungen abwehrt. Die Industrie sorgt für viele Arbeitsplätze und diese dürfen nicht gefährdet werden. Diese Logik wird verschärft durch die Tatsache, dass die neue Technologie des Elektromotors definitiv geringeren Arbeitsbedarf erzeugt als Verbrenner. Während Motoren noch aus tausenden Hochpräzisionsteilen bestehen, die aufwendig hohen thermischen und Druckbelastungen standhalten müssen, bestehen Elektromotoren nur aus rund 140 Einzelteilen. Das bedarf viel weniger Zulieferern und lässt sich deutlich besser automatisieren, wie die Gigafactory in Nevada mit nur wenigen tausend Arbeitnehmern eindrucksvoll belegt. Verständlich, dass die Industrie mit Abwehrreflexen reagieren muss, zu radikal und zu verlustreich erscheint der Wandel auf Elektromotoren. In Untertürkheim, dem Mercedes Stammwerk, sind 8.000 von 12.000 Arbeitsplätzen von diesem Wandel betroffen. Kein Wunder also, wenn es um den Betriebsfrieden schlecht bestellt ist und man sich um die Batteriefertigung derart aggressiv bewirbt, wie ein Untergehender, der nach einem retten Strohhalm greift.

Es sei dann aber nicht verheimlicht, vor welches Dilemma ein schneller Wandel die Autohersteller stellt. Wenn der Autohersteller zu 95% vom Absatz von Verbrennern lebt, muss er ein Elektroauto preislich gut aufstellen. Aktuell ist die Antwort einfach die, dass die Elektroautos Premiumpreise bekommen und teuer sind als Fahrzeuge mit gleichem Nutzen/Platz. Ein i3 ist also teurer als ein 3er BMW. In der Logik der Hersteller würde auch der innovativere Ansatz, den i3 günstiger anzubieten, die Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb entwerten. Sprich, wenn die Autohersteller den Wandel zum Elektroauto mit günstigen Preisen beschleunigen wollten, müßten sie Umsatzeinbußen und Margeneinbußen verkraften. Dass aber Elektroautos teurer sein müssen, als Verbrenner, scheint nicht zu stimmen. Das Tesla Model S kann zumindest mit einer akzeptablen Bruttomarge von 25% günstiger angeboten werden als vergleichbare Fahrzeuge der Oberklasse wie Mercedes CLS, A7 und 6er BMW. Tesla mag kein Geld verdienen, aber diese Strategie des Premiumpricing scheint Tesla nicht davon abzuhalten, mehr und mehr Marktanteile in der margenträchtigen Oberklasse zu gewinnen.

Eine weitere Debatte, die die Industrie vorm Umschwenken auf die Elektrotechnologie bewahrt, ist ausgerechnet die Klimadiskussion. In aufwendigen Rechnungen wird aufgezeigt, wie wenig hilfreich das Elektroauto für die Bekämpfung des Klimawandels wäre. Dass für die Fertigung eines Elektroautos ein mehrfaches der Energie benötigt wird, als dies bei Verbrennern der Fall ist, ist logisch. Die Verluste im Stromnetz und die Tatsache, dass immer noch enorm viel Strom aus dreckigen Kohlekraftwerken kommt, dient als Beleg dafür, dass das Elektroauto bestehende Probleme nur verschärfen würde. Die deutsche Industrie präsentierte immer wieder Versuchsträger mit alternativen Technologien, sogar die Brennstoffzelle und Wasserstoff wurden der staunenden Öffentlichkeit als Zukunftsperspektiven demonstriert. Hybride und Plug-in-Hybride wurden nach dem Erfolg Toyotas perfektioniert, Kleinautos wie der Smart in die Flotten eingefügt um deren Durchschnittsverbrauch zu senken. Aber so radikal, wie sich Tesla auf eine Antriebstechnologie festgelegt hat, das hat man stets bewußt vermieden.

Als letzten Beweis, dass das Elektroauto ein Irrweg ist, diente ausgerechnet der Kunde: Die Reichweite aktueller Batterien würde den meisten Pendlern nicht genügen. Außerdem sein die Preise zu hoch für das Gros der Arbeitnehmer, die auf Ihr Auto angewiesen wären. Und wenn es nicht dem Klima hilft, warum um Himmels Willen sich darauf stürzen? Besonders peinlich muten die Versuche der Industrie an, diese Tatsache auch noch mit möglichst unattraktivem Fahrzeugen zu belegen. Mercedes hat, neben Kleinstserien, nur die elektrifizierte B-Klasse im Programm. In der Oberklasse dagegen gähnende Leere, wenn es um reine Elektroautos geht. Audi hat mit dem e-tron einen stromernden A3 im Programm und VW zeigt mit dem Golf, wie teuer ein Elektroauto als tatsächlich ist. Bei BMW hat man das Thema dann doch ernster genommen und gleich zweite große Schritte unternehmen. Zunächst mal räumte man durch Gründung der i-Marke ein, dass im klassischen BMW-Konzern das Elektroauto nicht zu machen ist. Mit dem i3 und i8 lancierte man die ersten Chassis aus Karbon und ging hier Milliardeninvestitionen ein. Bei BMW herrschte der Glauben, dass das Gewicht das größte Problem in der Batterietechnologie sei und entsprechend drastisch und aufwendig waren die Karbonfahrzeuge. Frau Klatten als Mehrheitseigentümerin verband dies mit dem Coup, selber strategisch beim Karbonmarktführer SGL investiert zu sein. Was dann aber beim Kunden ankam, irritierte dann doch. Der i3 ist trotz aller Innovation ein merkwürdig gestaltetes Stadtfahrzeug, dessen Einsatzzweck nicht unmittelbar verständlich war. Richtig daneben aber ging der Sportwagen i8, der die Marke emotional aufladen sollte. Das Fahrzeug war zwar spannend gezeichnet, doch ein Dreizylindermotor würgte jeden Sexappeal des Elektros im Keim ab. Dieser sollte das Reichweitenproblem des Elektroantriebes ausgleichen, aber beim Kunden blieb der Kompromiss doch irgendwie im Kopfe hängen. Vielleicht fehlte auch ein überzeugender Beweis der technologischen Kraftmeierei, wie eine absurde Beschleunigungsorgie oder eine für Elektroautos ungekannte Höchstgeschwindigkeit. Der i8 wirkte klug, aber irgendwie vernünftig. Verkauft hat er sich eigentlich nicht. Doch genau in diesem Punkt straft Tesla all seine Konkurrenten Lügen: Die Fahrzeuge verkaufen sich schlicht fantastisch gut und weder Reichweite noch Preis scheinen Tesla zu stoppen. Spätestens wenn schon im Kreis potenter Kunden in Deutschland darüber räsoniert wird, ob das nächste Auto eine S-Klasse oder ein Tesla wird, sollten die Alarmleuchten in den Vorstandsetagen brennen. Tesla verkauft vom Model S, der mit über 66-130.000 Dollar wahrlich kein Schnäppchen ist, über 10.000 Einheiten pro Quartal und ist damit in den USA das bestverkaufte Fahrzeug in der Oberklasse. Weltweit verkauft Mercedes mit 100.000 Einheiten zwar deutlich mehr Fahrzeuge, doch in Anbetracht der Geschwindigkeit des Wachstums bei Tesla ist dieser Thron nicht mehr sicher. Die Manager wissen, dass nirgendwo mehr Marge und Cash aus den Kunden zu holen ist wie in diesem Segment.

Dramatisch muss aber vor allem für die Premiumhersteller hierzulande sein, welchen Imagegewinn die Kunden aus Ihrem Tesla ziehen. Tesla-Fahrer sind zudem sehr zufrieden und immer noch begeistert von Ihrem Auto. Das Auto ist definitiv nicht eine weitere S-Klasse oder 7er BMW, wer einen Tesla fährt, fällt stärker auf und ist näher dran am Übermenschenimage des Silicon Valleys. Vergleichbar vielleicht nur mit dem, was die ersten iPhones auslösten. Tesla hat sich nicht darum gescheitert, bestimmte Leistungskriterien der etablierten Autozeitschriften über Wankneigung oder Elchteste noch zu übertreffen. Man ging einen radikal anderen Weg, was auch schon in den Produktdarstellungen deutlich wird. Man konzentrierte sich auf eindeutige Features wie “Elektro”, “Autonomes Fahren” oder “Sicherheit” und “Touchscreen”. Gerade der Touchscreen ist für viele Kunden offensichtlicher Nachweis der technologischen Übermacht Teslas. Die Kunden scheinen nicht wissen zu wollen, wie viele Millionen Crashtests man sicher absolviert hat oder wie gut die Rechner im Bordnetz aufeinander abgestimmt sind. Alles, was sich unter der Motorhaube verliert, ist letztlich nicht sichtbar. Der riesige Touchscreen, der wie ein übergroßes iPad in der Zentralkonsole thront, soll einfach sagen: “Schaut, hier ist ganz viel Elektronik drin und Software sowieso”. Bei Software und Elektronik spielt man bei Tesla all das aus, wofür das Silicon Valley eh berüchtigt ist. Und selbst wenn man beim autonomen Fahren vielleicht weiter tut als man wirklich ist, die Kunden nehmen es trotzdem als sehr innovativ wahr. Wer es nicht so intellektuell angeht, der wird bei der Probefahrt mit der absurd starken Beschleunigung im Tesla geködert. Mögen Dauerhöchstgeschwindigkeit und Endgeschwindigkeit niedriger sein als bei einem 400 PS Benziner, der Kunde, der sich nicht dauernd auf einer “leeren Autobahn” (haha!) bewegt, hat mehr Freude an der Beschleunigung von 0 auf 100, die er mehrmals täglich testen kann. Und dass dann auch noch fast geräuschlos, da ist die Reichweite offensichtlich gar nicht mehr so bedeutsam, wie man immer tut. Wer es als Kunde schon in einen Vorführraum geschafft hat, der stellt bei Tesla dann fast überrascht fast, dass ein Model S ja sogar deutlich günstiger ist als eine gut ausgestattete S-Klasse. Dieser Vergleich, der für Automobilenthusiasten Äpfeln mit Birnen vergleicht, ist beim Kunden wirkungsvoll. Wenn das Model 3 nun ab 35.000 Dollar startet, muß man sich nur die Reaktionen in den Showrooms vorstellen: Für 35.000 Dollar bekomme ich also die nächste Generation Auto von Tesla oder die “alte Generation” eines mager ausgestatteten BMW 3ers? Dieser Vergleich geht für die Premiumhersteller nicht gut aus und dafür reicht es bei Tesla, wenn man sich auf wenige Features beschränkt.

Tesla braucht nicht mal Werbedollars, um die Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Auf Youtube sind die Interviews mit Elon Musk deutlich präsenter als alles, was die deutschen Premiumhersteller dort aufwendig produziert verbreiten. Musk: Ein Posterboy für das Valley, einer der aus dem Nichts kam, Raketen für den mars baut, Tunnelsysteme bohrt und zudem voller Humor und durchaus auch mal Musk cries about Armstrongs critic wird. Musk hat eine echte Vision parat. Microsoft hatte die Vision, einen PC auf jeden Schreibtisch zu bringen. Das war einfach, verständlich und auch gewaltig groß. Musk redet davon, die Wende zu alternativen Antrieben schneller zu machen und durch grünen Strom (SolarCity) diese neue Mobilität rund zu machen. Diese Vision ist auch einfach und verständlich. Und sie ist so spannend, dass viele gut ausgebildete Ingenieure Teil dieser Vision sein wollen. Was haben deutsche Manager parat, dass nur ähnlich großartig ist? Sichere Tarifjobs in großen Bürokratien? Während der andere Chef in der gleichen Zeit auch noch einen Mann auf den Mars bringen will? Wo will man da arbeiten, bei einem Menschen der den Lauf der Welt ändern will oder bei denen, die Kontinuität bringen?

Aber gibt es nicht viele Kunden, die einen Tesla oder ein Elektroauto rundum ablehnen, gerade wegen Ihrer Reichweite? Natürlich hat jede invididuelle Konsumentscheidung viele Gründe. Einige sind rational, andere schlicht zwingend wie schlichtweg Liquidität oder Kreditwürdigkeit oder aber irrational. Für mich wurde in den letzten Monaten, seitdem meine kleine Tochter mehr und mehr Einfluss auf Kaufentscheidungen nimmt, einiges klar: Menschen gehorchen weitaus mehr gruppendynamischen Prozessen. Wenn die Innovatoren und “Early Adaptor” einer Gruppe voran gehen, folgen Ihnen irgendwann tatsächlich fast alle. Dazu muss die Masse der Kunden nicht mal mehr überzeugt werden, es reicht ihnen schon, wenn die Early Adaptor schwärmen. Sie haben das Produkt ausprobiert, wissen detailliert um seine Vorteile und versuchen sich abzugrenzen. Der Veblen-Effekt wird dann sichtbar, dass ausgerechnet seltene und außergewöhnliche Produkte besondere Nachfrage erhalten und sich in Folge die ganze Gruppe hervorragend differenzieren kann. Nehmen wir an, eine Runde von Bankern wird Samstags zu einer Tesla-Party eines Erstbesitzers eingeladen. Nach einigen Beschleunigungsorgien und BBQ hat sich vielleicht schon ein weiterer Kunde gefunden und die Akzeptanz des neuen Produktes steigt dramatisch in der Gruppe. Um Homogenität in der Gruppe herzustellen, werden immer mehr Dienstwagen zu Teslas und nun kann sich die Gruppe auch gegenüber anderen differenzieren, was ihren inneren Zusammenhalt vergrößert. Über die Beeinflussung von Early Adaptern ist viel im Marketing geforscht worden, sie zu gewinnen gilt als Königsdisziplin. Bei Tesla braucht es gar kein wahnsinniges innovatives Konzept, um zu gewinnen. Elektrofahrzeuge gab es länger als Verbrennermotoren und nicht wenige halten die Model S Serie zwar für sehr gut, aber auch nicht viel besser als Ihre Wettbewerbsfahrzeuge. Es braucht hier aber keine “Feature-Vergleiche” von Bremswerten und Abgasmengen. Der Tesla ändert das ganze Spiel (Game Changer), weil er eben konsequent anders ist und nicht “ein bisschen grünerer Verbrenner mit Elektro” sein will. Early Adaptor sind immer auf der Suche nach etwas Neuem, wollen ihre eigene Phantasie oder Vision von Zukunft mit einem neuen Werkzeug verwirklichen. Der Tesla kann all dies bedienen und das reicht schon aus.

Genauso funktioniert der Effekt natürlich auch gegenteilig: Ein Konsument, der sich gerade noch für einen teuren Verbrenner entschieden hat, verteidigt seine Entscheidung (kognitive Dissonanzen vermeidend). Er nutzt hilfreich die Argumente über Reichweite oder vielleicht die Ökobilanz, um seine Kaufentscheidung zu rechtfertigen. Die Krux ist dabei, dass dieses Verhalten ein defensives Verhalten ist und entsprechend Innovatoren wenig überzeugen kann. Sie sind viel zu neugierig auf das, was Ihnen “das Neue” versprechen kann. Die Autoindustrie hat Ihre Alternativantriebsdiskussion, die lange zwischen Wasserstoff und Elektro hin und herging, letztlich aufgegeben. Mittlerweile reden alle nicht darüber, wann die Mehrheit der Fahrzeuge Elektroautos sein werden, sondern wann dies der Fall ist. Also eben letztlich eine taktische Entscheidung, wann die schmerzliche Umstellung umgesetzt werden muss, die nicht nur Arbeitsplätze vernichten wird. Sie wird aber kommen und die Probleme, ob auf Beschäftigung oder gar auf die Umwelt, werden real werden. Denn der Drang in das neue Spielzeug ist gigantisch, die Folgen werden für die Kunden zweitrangig sein. Eins ist sicher: Die Pionierrolle haben die deutschen Premiumhersteller längst verloren. Und wer den Premiumaufschlag auf Dauer nicht mehr einlösen kann, der wird zur zweiten Wahl. Es scheint für mich mehr oder weniger eindeutig, dass das Elektroauto viel schneller kommen wird, als den Herstellern lieb sein wird. Die Umwälzung wird wie bei allem, was das Silicon Valley auslöst, rasant und zügig vonstatten gehen. Und man wird eindeutig erkennen können, woran es den Managern der aktuellen Marktführern gefehlt hat: An einer mutigen, klaren Vision, die sie mit Haut und Haaren umsetzen wollen und die die Kunden begeistert. Die Sinnfrage wird sich dann nicht mehr stellen, denn Kaufentscheidungen aus reiner Vernunft waren noch nie besonders sexy.

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