Viele sind schon in einem tieferen Verständnis von Wokeness angekommen. Selbsthass des Westens, die Verirrungen nach der Aufklärung, der Islam und nun Gaza an den Universitäten, am Ende ist alles schwer zusammen zu bringen. Für mich war es ein Weg, Marxismus und seine Transformation in woken Ideen zu verstehen. Die Integration von Metaideen wie Klimaschutz als weltweite Opferintegration. Wokeness integriert vielleicht politisch öko-sozialistische Ideen, geht aber weit darüber hinaus, eine technokratische Idee zu sein. Es ist ein Glaubenswerk, dass durch die psychologische Konstruktion des modernen Menschen begünstigt wird. Die eigentliche Problematik der Wokeness liegt begraben in den Mechanismen der Psyche des Menschen, wenn er sich in Stress, Depression oder Bitterkeit bewegt. Linke habe uns seit 1968 ff. erklärt, wie die Nazis die Sündenböcke brauchten, um Ihren Hass nach außen zu lenken statt auf sich selbst. Sie müssten aber genau das gleiche bei der Wokeness untersuchen, liegt dies hier nicht identisch vor? Wenn man den Westen, den Tod der Religion und die Wokeness versucht zusammen zu bringen, erklärt sich so einiges, warum der moderne Mensch ein selbstverschuldetes Opfer ist, dass an seiner Freiheit bis heute zweifelt.
Religion klingt groß. Ist Wokeness und die Jünger der Critical Social Justice Theory nicht eher eine Sekte, weil es eine kleine Minderheit ist? Der Begriff “Sekte” ist bei Wokeness nicht ganz falsch, wenn man die extremistischen Vertreter betrachtet. Liegen diesen Überzeugungstätern (den woken – erweckten) doch Überzeugungen zu Grunde, die sich nicht falsifizieren lassen und grob unwissenschaftlich sind. Sie werden bestenfalls durch religiöse Glaubensmuster erklärt.
Ein faktischer Widerspruch in der Wokeness ist schnell zu finden, ich versuche dass qualitativ. Wokeness kritisiert im Westen bspw. seinen Kolonialismus. Natürlich gab es kolonialistische Verbrechen und Opfer, wer wollte das ernsthaft bestreiten. Doch die Täter-Opfer-Umkehr ist genauso teils virulent wie eine Ausblendung historischer Tatsachen, weil die Wokeness sich geradezu manisch an einem Aspekt festbeisst: Er will nur den Kolonialismus des Westens kritisieren, nicht den Kolonialismus an sich. Kolonialismus ist in der Wokeness eine spezielle Betrachtung des Kolonialismus vor allem Englands des 17-19 Jahrhunderts, Frankreich, Spanien, Portugal (Südamerika) oder (in geringerem Ausmaß) Deutschland (welches als Land sämtliche Täter-Zuschreibung dann im Nationalsozialismus quasi zum Rest des Westens erfährt, um auch als Großverbrecher oder gar größter Schurke aller Zeiten durchzugehen). Aber die Einseitigkeit ist gerade, dass dies nur ein historischer Ausschnitt war. Was war mit dem Kolonialismus der Mongolen? Was mit Römern, Griechen, Ägyptern, sind dass automatisch Vorläufer des Westens und nicht auch arabischer Länder, die ebenfalls Kolonien errichteten? Babylonier, tja, sogar Stämme und Hochkulturen, deren Historie wir nicht kennen, kolonialisierten, waren expansiv oder aggressiv eingestellt. Sklaverei oder Rassismus ist ebenfalls keine westliche Idee. Babylonier, Römer, Griechen oder afrikanische Stämme selbst, die andere afrikanische Stämme überfielen: Sie unterjochten, verklavten oder verkauften Sklaven an diejenigen, die die Souveränität anderer nicht achteten. Wenn bestimmte Kulturen oder Zivilisationen sehr überlegen sind, erscheint die Idee der Sklaverei genauso naheliegend beim Menschen wie wir heute KI-Roboter für uns schuften lassen und dabei ebenfalls keine Skrupel vor dem Geist Deus Ex-Machina, dem Geist der Maschine, haben. Wenn wir den Menschen nicht achten wollen, werten wir ihn einfach ab, das ist immer möglich, dafür ist jede Kultur anfällig. Die Egalität des Menschen, davon spricht eigentlich in Religion das Neue Testament, doch ansonsten ist es an andere Völker gerichtet niemals eindeutig. Die Idee das die Welt sich an Händen hält ist eine Idee der Friedensbewegung, nicht unbedingt der Religionen. Selbst der Veganismus ist so fraglich in seiner Konsequenz: “Ist das töten von Tieren nicht menschlich, weil der Mensch ein Tier ist und und auch Tiere töten?” Dieses Prinzip aufzugeben, es ist zwar möglich, aber auch hier ist ein Glaubenskorsett entscheidend, keines von Logik und eindeutiger Ratio. Der Begründer des Veganismus, kein Inder, sondern ein Brite im zweiten Weltkrieg, wollte das Prinzip der Gewaltherrschaft bei Mensch wie Tier ausrotten, weil er so glaubte von jeglicher Gewalt erlöst zu werden. Wer heute wissenschaftlich daher redet, verneint die Ethik einer eher pseudo-religiösen Entscheidung. Zu dumm, sozusagen für den Begründer des Veganismus, dass es aber auch auch Veganisten gibt, die aggressiv sind gegen Fleischfresser. Es liegt eben sehr viel von unseren Verhalten, von unseren Emotionen, in der Natur des Menschen begründet und ist weder eine Entscheidung, die einfach ist noch liegt sie im Westen begründet als Erklärungsmuster, erst recht nicht dem weißen alten Mann allein, dem “Satan” der CSJ.
Die Realität ist nicht nur komplexer, sie ist niemals so einseitig, wie die CSJ es suggeriert: “Ich glaube, dass der Kolonialismus schuldig ist, ich konstruiere den Rasssismus als einziges Muster in der westlichen Welt, das erklärend wirken soll, Du/Ihr seid die Opfer. Ich bin Dein Anwalt oder auch ein Opfer mit Dir. Schuldig ist einzig und allein der alte, weiße Mann, der Kapitalist, der Unterdrücker, der Anti-Feminist, der antiqueere Sündenbock für alles auf der Welt. Der Vater! Und nun bin ich lieb nur zu meinen Freunden, ich gendere, ich erzeuge keine Opfer – aber ich hasse doch, Dich, Vater, alter weißer Mann!”
Das mit dem Vater ist kein Zufall, keine reine Erfindung. Die Luke Skywalker-Darth Vader Story, die Jesus und Gott, all diese “coming-of-age” Geschichten zeugen von unseren Problem, erwachsen zu werden, uns von unseren Eltern zu lösen und ein stabiler, eigener Mensch mit einer ausbalancierten Seele zu werden. Und es gibt hier viele Entwicklungsfallen. Ayan Hirsli hat die Religion der Judith Butler, Wokeness und die Schwächen des Westens in einem Kommentar in der Welt sehr umfassend und treffend kritisiert. Auch Butler hat eine Darth Vader Geschichte, die eine Erklärung ermöglicht, die ihre Theorie wesentlich auf Ihrem schwierigen Verhältnis zum leiblichen (jüdischen) Vater aufbaut, eine sehr abstrakt-intellektuelle Bewältigungsstrategie ihrer psychischen Probleme, der sie in der Genese lesbischer Sexualität nicht positiv begleitete. Was es bedeutet, ein lesbisches, jüdisches Mädchen zu sein, ist schwer zu fassen. Gerade wenn Sie selbst keiner Minderheit anhören. Stellen Sie sich mal vor, es stellt sich raus, Ihr Vater sei ein Nazi gewesen. Das macht sie nicht schuldig, dafür können sie gar nichts. Aber es wird sich Scham einstellen, Klage, Wut. Selbst wenn Ihre Abstammung, also eine jüdische Familie in Amerika, gar keine Täterschaft hat, sind sie doch weiß und doch eine Minderheit. Eine spannende wie komplexe Situation, die nicht ganz einfach ist, aber dann kommt hinzu, dass sie durch ihre sexuelle Präferenz auch noch in der Minderheit eine Minderheit darstellen. Das muss schwierig gewesen sein, da groß zu werden und in wie weit Butler mit sich selbst im reinen ist, weiß ich nicht. Ich möchte nur feststellen, dass sie laufend ein Muster fährt: Die Klage, die Wut, die Scham. Das ist die Basis von Wokeness, die Einladung in die Erweckung. Sie brauchen nur das Gefühl zu teilen, dann sind sie eingeladen.
Ayaan Hirsi hat dagegen den Westen beklagt, nicht immun gegen die eigene Selbstvernichtung des Westens zu sein. Selbst wenn das nicht für den ganzen Westen zutreffend ist, so ist die Dominanz der CSJ an Universitäten, in den Medien und Intellektuellen erschreckend groß und diese ist voller Kritik am Westen. Sie ist eine vernichtende Großkritik, getragen von Gefühlen. Sie klagt an: “Der Westen auf dem Weg in die Unterwerfung“. Sie beschreibt vieles darin äußerst treffend, aber der Kommentar ist trotz seiner Länge noch nicht vollständi. Ich möchte etwas ergänzen, was mir ganz und gar offensichtlich erscheint. Es ist eine Erklärung, die man als Ex-Katholik, der von Nietzsche, Kant und Feuerbach wachgeküsst wurde, vermutlich anders vorträgt als jemand, der islamisch groß geworden ist und die Unterwerfung (quasi gleichsam Islam wie CSJ) beklagt, aber nicht die besonderen Schuld- und Sühnekomplexe versteht, die in Europa durch das Christentum geprägt wurden.
Der Sündenbock spielte bis zur Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 nach Christus) in der Liturgie des Großen Versöhnungstages eine besondere Rolle: Er wurde, symbolisch beladen mit den Sünden des Volkes Israel, in die Wüste geschickt und diente der jährlichen Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Der Sündenbock wurde quasi metaphorisch von Israeliten erfunden, heute verkehrt sich die Idee ausgerechnet gegen sie selbst.
Ein Aspekt, der in heutigen Erklärungen unserer westlichen Schwäche oft fehlt, aber viel erklärt, ist die Kluft, in die uns die Vernichtung der christlichen Religionen in Europa letztlich gebracht haben. Denn dass sie ersetzt wurde durch etwas Starkes, das ist sicher nicht so – der moderne Mensch ist besonders, er ist kompetent und vergeistigt, aber seelisch sehr fragil. Sie begünstigt die Entstehung der woken Ideen, die ich lange versucht habe zu verstehen. Sie ist begünstigt durch die Schwächen des Menschen, durch seine Anfälligkeit für kognitive Dissonanz und seinen tiefen Wunsch nach Transzendenz. Der moderne Mensch, er leidet durchaus. Nicht materiell, aber im Westen leidet er seelisch. Er leidet vor allem unter sich selbst, den unglaublichen Anforderungen an das eigene Ich.
Für viele Menschen folgte auf Religion nicht die Aufklärung, also der Ausweg aus der selbstverschuldeten (!) Unmündigkeit, sondern neue Religionen wurden erfunden: Ernährung, Klima, Trans, etc. Das fehlen der Religion trifft eigentlich stärker auf Europa zu als die USA, wo viele noch religiös praktizieren. Dennoch sind wir auf dem gleichen Weg: Wir haben uns angewöhnt, den Mensch als Krone der Schöpfung über Gott zu stellen. Nietzsche hat Gott “für tot erklärt” und defakto ist das in der Gesellschaft auch so, Elon Musk gilt quasi als mächtiger als ein nicht präsenter Gott. Weil es Gott nicht mehr gibt, kann er uns aber auch das Geschenk der Erlösung (mit Jesus Kreuzestod) nicht mehr geben. Ergo sind wir Menschen für alles selbst schuld, müssen sühnen, Busse tun. Das war Luthers Idee, aber die finden Leute nicht so angenehm. Es gibt noch einen psychologischen Ausweg, sich selbst zu peinigen: Lasst uns einen Sündenbock erfinden! Die Katholiken konnten noch im besten Falle uns allen die Beichte abnehmen, erlösen durch Christi Tod, die Schuldigen freisprechen.
Ab Luther ging es nicht mehr und der Selbsthass brauchte einen Ausweichmechanismus, fand ihn im Sündenbock Judentum. Und dann in den Kapitalisten, da fand Marx das Opfer “Arbeiter”, hasste fortan Juden, Bourgeoisie und Industrialisten . Und heute hassen wir Trumpisten, Umweltzerstörer, ja gar den Westen allgemein. Alles nur, weil der Selbsthass keine Lösung ist, nein, lieber hassen wir einen Dritten. Alles sind nur Ablenkungsmanövern kranker Seelen, die sich selbst nicht reflektieren können (oder wollen) und Ihren ganzen Hass auf andere lenken. Weil der Mensch so tickt, sucht er den ganz großen Blitzableiter. DAs ist in der Tat ein unruhiger, revolutionärer Zustand, der einem Angst macht: eine Masse in Rage und Wut, die sich erleichtern will. Wokeness ist die Agression, die gegen sich selbst gerichtet Depression ist. Nach außen gerichtet kann sie Wokeness sein, Judenhass, Fremdenhass, Hass auf Kapitalismus, etc. Das eigentlich Grundübel ist die Entstehung der Aggression, die aufgekratzten Seelen. Stress. Leistungsdruck, den wir nicht richtig kanalisieren. Wettbewerb und auch ein Wettbewerb um die Eitelkeit, ein Star sein zu wollen.
Wokeness ist ein Kind des Westens und gedeiht im Westen am Allerallerbesten. Es ist dennoch eine Verirrung. Und ein seelisches Unglück. Wir werden noch lange mit Wokeness kämpfen, wenn wir die Seelen nicht beruhigen und Ihnen Hoffnung und Zuversicht schenken.
P.S. Wer sich intensiver mit Wokeness beschäftigen will, dazu habe ich mal einen längeren Erguss verfasst: “Theorie übelgelaunter Frauen”. Ansonsten gibt es viele Bücher (Susann Schröter, Esther Bockwyt) oder Videos mit einfacheren, zugänglichen Analysen wie Jordan Petersson bis hin zu Elon Musk, der durchaus einiges von Wokeness versteht, die hilfreich sind: Wokeness, Theorie übelgelaunter Frauen. Um gleich den Titel des Artikels klar zu stellen: Das sich Wokeness bei Frauen genauso verfängt wie bei Männern ist eher ein Ergebnis unserer Zeit und aufgelöster Rollenmuster, keine Zwangsläufigkeit, wie der Titel suggeriert. Das möchte ich nur kurz platzieren um die Irritation darüber nicht zu verleugnen, wieviele Frauen Wokeness öffentlich transportieren und attraktiv als Idee empfinden, obwohl sie als Gefühl so aggressiv daher kommt wie es zuletzt der eher männlich transporierte, vielleicht gewalttätigere Faschismus tat. Faschismus und Wokeness sind beide getragen von Emotion, sie bauen darum eine Art Pseudo-intellektuelles Konstrukt, sind aber nicht so von Ideologiekritik getragen wie es noch der Marxismus tat. Die Mühe, die ganze Welt um sich herum gut zu analysieren, so wie es Marx noch in “Das Kapital” versuchte, hat sich Judith Butler nicht gemacht.